Es ist schon spät. Das Kind schreit. Es hat Hunger. Schon wieder. Eigentlich sollte der kleine Schreihals längst im Bett liegen und träumen. Aber so ein Tag ist manchmal einfach zu kurz, um alle Bedürfnisse eines Babys rechtzeitig zu befriedigen.
Willkommen im hektischen Alltag einer Mutter. Wer keine Kinder hat, kann jetzt am DS seine Elternqualitäten testen. Nach etlichen Haustiersimulationen erscheint mit "My Little Baby" nun die erste Babysimulation für Nintendos tragbare Konsole. Das Spielprinzip rund ums Kümmern und Erziehen ist ähnlich, nur die Vorwürfe bei Vernachlässigung schlagen hier stärker aufs Gemüt.
Am Anfang stehen die Gene der Eltern, die in eine Übersicht eingegeben werden. Ein Wunschkind mit selbst bestimmtem Aussehen gibt es aber nicht. Ganz wie im echten Leben. Nur die neun Monate voller Übelkeit, Rückenschmerzen und Sorgen bleiben einem erspart.
Kaum ist das Kind im Haus, geht die Action los: mit dem Stylus-Stift müssen auf dem Touch Screen abwechselnd Windeln gewechselt, Fläschchen zubereitet, das Kind gebadet und die Wohnung geputzt werden. Ein Infofenster zeigt mit Balken ähnlich wie bei den Sims, welche Bedürfnisse erfüllt sind und welche nicht. Wer nicht schnell genug darauf reagiert, bekommt Ärger mit der virtuellen Nanny.
Das kann für kinderlose und somit wenig stresserprobte DS-Besitzer schon in Hektik ausarten. Florentine Kramer ist Mutter eines vier Monate alten Babys und meint, solch eine Simulation könne gar nicht stressig genug sein. Sie wechselt zwischen den Räumen des virtuellen Hauses hin und her, kümmert sich um das DS-Baby "Fratz", während sie zwischendurch immer wieder nach dem echten Fritz schaut. Auf dem Bildschirm wechselt sie Windeln, wiegt das Kind mit einem Gute-Nacht-Gruß in den Schlaf. Die Erklärungen der Nanny sind so verständlich, dass alles beim ersten Versuch funktioniert. Als das Baby wach wird, geht es in die Küche. Flasche sterilisieren, Milch einfüllen und erwärmen. Schon gibt es die erste Kritik: "Das ist ja Kuhmilch in der Packung!"
"In echt dauert das viel länger"
Nach dem Schock über die schlecht verträgliche Nahrung wird endlich gefüttert. Flasche ansetzen, festhalten und fertig. "Wie, das war es schon?" fragt die Maketingmanagerin. "In echt dauert das viel länger. Im echten Leben ist anfangs alles so hektisch, dass man versuchen muss, jede Kleinigkeit zu planen. Selbst für einfach Dinge wie das eigene Mittagessen bleibt manchmal kaum Zeit."
Trotz der recht kurzen Fütterung kann sich auch eine virtuelle Mutter nicht über Langeweile beklagen. Denn irgendwann muss das Kind auch sprechen, krabbeln und laufen lernen. Bis es am ersten Geburtstag in die Kindergruppe kommt und das Spiel vorbei ist. Obwohl die Uhren im Spiel schneller ticken, bleibt vorher noch viel Zeit, um mit dem täglichen Kindergeld neue Anziehsachen, Spielzeuge und Deko-Objekte zu kaufen und damit das Kinderzimmer zu verschönern.
Bei allem Dekorieren und Umkleiden verlangt das Baby regelmäßig Aufmerksamkeit. Bekommt es davon nicht genug, hat das Konsequenzen. Wer das Kind längere Zeit nicht füttert oder badet, lernt die grimmige Seite der sonst freundlich lächelnden Nanny kennen. Die schaltet sich mit einem bösen Gesicht ein und unterbricht das Geschehen mit Ermahnungen.
Wenn sie zum dritten Mal mit ihrer zornigen Miene sagt: "Dein Baby ist sehr schmutzig", fällt es schwer, das zu ignorieren. Obwohl alles nur ein Spiel ist, kommen die ersten Gewissensbisse. Darauf folgt die Rüge vom Kinderarzt, der für die Behandlung des vernachlässigten Babys ordentlich abkassiert. Muss er öfter einschreiten, beendet das Jugendamt das Drama und holt das Kind ab.
Eine lehrreiche Übung und zugleich Abschreckung für die kleinen babyvernarrten Mädchen, die später selber einmal viele Kinder haben wollen. Denn das Programm richtet sich vor allem an junge Mädchen und heranwachsende Frauen. Der Erfolg der Hundesimulation "Nintendogs" hat gezeigt, dass auch Mädchen sich für Videospiele interessieren. Sie interessieren sich nur für andere Spiele als Jungs. Nach Tierspielen mit Hundeerziehung, Katzenpflege und Ausritten müssen neue Themen her, um die Mädchen bei Laune zu halten. Was passt da besser als niedliche Babys?
So richtig niedlich sind die DS-Kinder aber nicht. Die Software beweist, dass man darüber streiten kann, ob Babys schon von Natur aus niedlich sind. Während einige Frauen sofort begeistert von den Konsolenkindern sind, bleibt bei anderen trotz der 100 verschiedenen Animationen die Begeisterung über das Aussehen aus. Auch Florentine Kramers Verzückung über die nicht wirklich hübsch geratenen Babys hält sich in Grenzen: "Die sehen irgendwie komisch aus." Trotzdem findet die 33-Jährige das Spiel gut. "Vor allem, weil es relativ realistisch ist. Der echte Alltag ist aber um einiges hektischer", meint die Mutter.
Trotzdem kann "My Little Baby" zumindest eine Ahnung von dem vermitteln, was da auf junge Frauen zukommt. Auch wenn es Fälle von verwahrlosten Kindern nicht verhindern kann. Denn das virtuelle Baby lässt sich mit dem Drücken des Power-Schalters einfach ausstellen, wenn man keine Lust mehr hat.