Aus einer Kipperladung voller Briefe ein für sich wichtiges Schreiben herauszufinden, ist fast unmöglich. Doch versuchen viele Menschen täglich, genau das zu tun: Sie lesen mehrere Zeitungen, gucken die Nachrichten im Fernsehen, hören auf dem Weg zur Arbeit Radio, werfen mehrmals einen Blick ins Internet und öffnen dutzende E-Mails. Dem Informationsangebot ist mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr beizukommen. "Wir haben dafür noch keine passende Kulturtechnik entwickelt", sagt Christian Heinisch. Der Geschäftsführer des Unternehmens Newbase in Hamburg, das Programme für die Erstellung digitaler Pressespiegel entwickelt, beschäftigt sich seit langem mit der Datenflut.
Das Fehlen dieser Kulturtechnik zeigt sich Heinisch zufolge beispielsweise in der Angst davor, wichtige Information zu verpassen. Diese Befürchtung rühre noch aus einer Zeit, da etwa ein Telefonat noch etwas besonderes gewesen ist und man auch nicht binnen kürzester Zeit kostenlos Fakten aus dem Internet zusammenklauben konnte. Diese Angst führe schnell zu einer Überforderungen, sobald es Informationen sozusagen im Überfluss gibt. Zusätzlich sinke der Wert einer bestimmten Information heutzutage innerhalb kürzester Zeit.
Erst nachdenken, dann abonnieren
Heinisch rät, ganz bewusst zu entscheiden, ob man zum Beispiel SMS oder einen bestimmten elektronischen Newsletter nutzt. So seien zwar neue Informationskanäle schnell erschlossen. Viele Menschen machen sich allerdings keine Gedanken darüber, dass sie sich damit auch eine gewisse Verpflichtung aufhalsen. Sich von den neuen Errungenschaften wieder zu lösen, sei dann meist deutlich schwerer.
Verständigungsprobleme
Ein großes Problem ist Heinisch zufolge zudem das richtige Verstehen elektronischer Botschaften. Bei der Kommunikation über E- Mail zum Beispiel komme es häufig deshalb zu Missverständnissen, weil die so genannten Beziehungsinformationen fehlen. "Dazu gehört zum Beispiel die Betonung beim Sprechen, die schnell deutlich macht, ob etwas ironisch oder ernst gemeint ist."
Zusammengenommen kamen per Film, Papier, Datenträger und Computer im Jahr 2002 doppelt so viel neue Information hinzu wie noch drei Jahre zuvor, schätzen Forscher der University of Berkeley in Kalifornien. In ihrer Studie "How much Information?" haben sie herausgefunden, dass im Jahr 2002 rund 5 Millionen Terrabyte an Daten gespeichert wurden. Pro Erdenbürger waren das rund 800 Megabyte neuer Daten - das entspricht einer Bücherreihe von 8 Metern. Besonders deutlich zeigt sich die Datenflut in E-Mail-Fächern: Täglich werden weltweit mehr als 30 Milliarden der elektronischen Briefe versendet - und empfangen.
Spam wächst und wächst
Der Anteil an E-Mails, mit denen der Empfänger nichts anfangen kann, Spam etwa, wächst. Im Zusammenhang mit den unerwünschten Werbemails werden die ersten Versuche unternommen, Daten herauszufiltern - bevor sie den Adressaten erreichen. "Der nächste Schritt muss eine inhaltliche Auswahl sein", sagt Christian Heinisch. Noch erkenne aber keine Software Bedeutungszusammenhänge zuverlässig.
Nachhilfe für Suchmaschienen
Die negativen Folgen zeigen sich zum Beispiel bei der Verwendung einer Suchmaschine im Internet: Sie nimmt auf Inhalte keine Rücksicht und wirft alle Seiten aus, auf denen das gesuchte Wort steht. Abhilfe verspricht das so genannte Semantic Web. Das vom World Wide Web Consortium vorangetriebene Projekt soll es Maschinen künftig ermöglichen, Websites inhaltlich zu deuten.
Angesichts großer Datenmengen ist es oft auch ein Problem, einen Zusammenhang zwischen verstreut gespeicherten Informationen auszumachen. Damit haben sich Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut FIRST in Berlin beschäftigt: Ein Ergebnis dieser Arbeit ist "Topic Map". Die Software ordnet Daten nach Nutzerprofilen oder Wissensbereichen.
"Ein Vorteil von Topic Map liegt darin, dass der Zugang zu Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln ermöglicht wird", erklärt Ronald Melster von FIRST. So könne beispielsweise ein Versicherungsvertreter mit Hilfe von Topic Map nach einer Methode suchen, um Prämien auszurechnen. Die gleiche Methode würde ein Wissenschaftler dann auf der Suche nach einer bestimmten mathematischen Formel finden.
Der wichtigste Filter bleibt der Mensch
Die Bewältigung der Datenflut kann der Mensch allerdings nicht allein der Technik überlassen. Heinisch plädiert daher zum Beispiel dafür, den Stellenwert der E-Mail zu überdenken. Einige Unternehmen seien dazu übergegangen, ihren Mitarbeitern keine persönliche Mail-Adresse mehr zu geben. Da werde erst einmal alles von einer Sekretärin vorgefiltert. Im Gegenzug halte man einen reservierten Kanal für besonders wichtige Kommunikationspartner frei. "Schließlich gibt DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp auch nicht jedem seine E-Mail."