Liebe Freunde, heute war wieder mal echt so ein Tag. Ganz schön anstrengend vom Morgen bis zum Abend. Als Freiberufler ist man ja immer davon abhängig, ob die Aufträge fließen, die Termine eingehalten werden und am Ende auch die Kohle auf dem Konto eintrifft. Aber lasst euch eins gesagt sein: Ich habe es geschafft. Endlich. Lasst euch doch mal erzählen, wie man als freischaffender Journalist in der PC-Branche so lebt. Ist echt nicht schlecht.
Mal wieder richtig ausgeschlafen
Morgens bin ich davon aufgewacht, dass sich auf meinem Balkon zwei Vögel mit lautem Zwitschern gestritten haben. Ein erster Blick auf die Uhr zeigt, dass die Mittagsstunde längst vorbei ist. Na ja, nicht so schlimm, dann habe ich halt mal wieder richtig ausgeschlafen. Ich trete ans Panoramafenster, reiße die Vorhänge beiseite und blicke in einen strahlend blauen Himmel hinaus. Auf dem tiefblauen Meer türmen sich die Schaumkronen, es weht ein leichter Wind. Meer? Ja, Sie haben richtig gelesen. Ich arbeite von meinem Haus in Hawaii aus. Als freiberuflicher Computerjournalist kann ich mir ja den Ort aussuchen, an dem ich arbeite. Ich hab mir Maui ausgesucht.
Gegen zwei, ich habe es mir gerade bei einem Mai Tai auf dem Balkon gemütlich gemacht und den grünen Geckos beim Balzen zugeschaut, klingelt das Telefon. IQ Inc. ist dran. Man hat endlich den neuen Drucker fertig gestellt, der so klein ist, dass man ihn hinten an einen PDA anklemmen kann. Laserqualität. Natürlich in Farbe. Das Nonplusultra. Der Pressetyp erklärt mir, dass ich der erste bin, dem dieses Gerät vorgeführt wird. Exklusiv. Ob ich Interesse hätte? Der Privatjet von IQ könne mich in zwei Stunden auf dem Flughafen von Maui abholen. Mein Arbeitsausfall für den Tag würde mir natürlich großzügig bemessen überwiesen werden. Ich nicke. Warum nicht?
Der pure Stress
Während der verbleibenden Zeit gebe ich Yvonne und Christopher Anweisungen, was in meiner Abwesenheit zu tun ist. Die beiden arbeiten als Praktikanten bei mir. Erste Sahne. Frisch von der Journalistenschule. Er kommt aus Deutschland, sie aus New York. Wohnen umsonst bei mir und nehmen mir dafür das Gros meiner Artikel ab. Beide schreiben das Gleiche, sie für die amerikanischen PC-Magazine, Christopher für die deutschen. So habe ich den Kopf frei. Zum Organisieren. Ach ja: Mein Aktenkoffer muss gepackt werden. Diktiergerät, Digitalkamera und PDA. Das muss reichen. Für den Flug noch ein MP3-Player. Der pure Stress, so ein Tag.
Die Vorführung bei IQ ist so lala. Eine Menge Gequatsche, dabei reichen mir ein Probeausdruck und ein Factsheet völlig aus. Ob ich wohl ein Gerät haben könnte? In Dauerteststellung. Wofür? Na ja, zum Testen, haha. In aller Ruhe. Hier ist es ja doch eher hektisch. Man steckt mir ein Gerät zu, obwohl der zuständige PR-Chef Schweißperlen auf der Stirn hat. Eines der ersten fünf Prototyp-Geräte sei das, nicht mal der Firmenchef hat eins. Ich bedanke mich artig und frage, ob es hier denn nicht ein schickes Lokal gebe, wo wir das feiern können, das mit dem neuen Drucker und der Eroberung der Märkte und so. Wir fliegen mit dem Privatjet nach L.A. und gehen ins »Spargo«. Arnold Schwarzenegger guckt böse, als ich bei ihm eine Zigarre schnorre. Aber ich komme doch aus der Heimat!
»Ich schaue die Post durch und stapele die Schecks auf«
Am Abend hat mich der Jet wieder nach Hawaii gebracht. Blutrot geht die Sonne im Meer unter. Yvonne und Christopher schuften noch. Schlürfen brav frisch gepressten Guavensaft, das ist besser als Red Bull. Gut so. Ich schaue die Post durch, stapele die Schecks auf und denke daran, ob ich sie gleich morgen oder erst zum Monatsende hin einlöse. Ach, quatsch, einmal im Monat reicht, ist ja noch genug Geld auf dem Konto. In der Post sind Freiexemplare vom »Playboy«, von »Wired« und aus Deutschland sogar vom Stern. Hab ganz vergessen, wie das ist, am Kiosk ein Magazin zu kaufen, haha. Neue DVDs mit Kinofilmen zum Testen sind auch dabei, aber nur alter Schrott, kein A-Movie. Dann ein Brief von einem Verlag mit Korrekturseiten eines Sonderhefts: »Scheibes beste PC-Tipps«. Ich gucke nach, ob mein Name überall groß und richtig geschrieben ist. Jep. Ich geb?s Yvonne zum Korrekturlesen, da kann sie wenigstens ein bisschen Deutsch lernen. Sie grinst. Und sucht nicht nach ihrem Namen im Impressum. Braves Kind.
Genug gearbeitet für heute. Ich schlüpfe aus dem T-Shirt und den Shorts, die ich den ganzen Tag über anhatte, in etwas Bequemes: eine Badehose. Dann schnappe ich mein Surfbrett und laufe die 100 Meter bis zum Strand. Das Wasser ist badewasserwarm. Eine Meeresschildkröte schaut mich verdutzt an, als ich zielstrebig ins Wasser wate. Bakterien fangen in den Wasserwirbeln zu fluoreszieren an – herrlich. Ich erwische eine große Welle und sause über das Meer. Vielleicht fahre ich danach noch ein bisschen nach Laheina, zum Abfeiern.
****Ring***** – der Wecker klingelt, es ist sieben Uhr. Oh nein, ich bin in Deutschland, mein Schreibtisch ist voller Arbeit, das Konto wieder leergeräumt. Mist. Wieder alles nur geträumt!
Carsten Scheibe