In einem typisch amerikanischen Diner ist der Albtraum der Kunden wahr geworden. Ein Pärchen geht selbstbewusst durch die Gänge, richtet ihre Pistolen auf Angestellte und Gäste und sackt die Wertsachen ein. Als die Polizei kommt, schießen sie die Beamten über den Haufen - und brausen schließlich im gestohlenen Einsatzwagen davon. Wer bei der Beschreibung kurz an "Pulp Fiction" dachte, lag sicher nicht falsch. Doch die Szene ist eine Hommage aus dem noch nicht erschienenen Videospiel "GTA VI".
Dass der eigentlich eher unspektakuläre Spieleauschnitt weltweit innerhalb von Minuten viral ging, hat einen guten Grund: "GTA VI" ist das wohl meisterwartete Videospiel. Und wird erst Jahre in der Zukunft erscheinen. Erst im Frühjahr machte Entwickler Rockstar mit dem Spiel Schlagzeilen - indem man schlicht ankündigte, daran zu arbeiten. Ohne jegliche Ausführung reichte das, um die Spielepresse und das Publikum tagelang zu beschäftigen.
GTA VI: Kein Leak wie jeder andere
Dass nun auf der Fan-Seite GTA-Forums einen Clip nach dem nächsten aus dem Spiel veröffentlicht, ist deshalb selbst in der Leak-freudigen Spieleszene extrem ungewöhnlich. Normalerweise erscheint solches Material erst kurz vor Veröffentlichung, wenn die Presse und Tester ihre Finger an Demo-Material bekommen und sich nicht an Geheimhaltungs-Vereinbarungen halten. Der "GTA"-Leak hat aber eine ganz andere Dimension: Das in dem Material dokumentierte Spiel ist ganz klar noch in einem Stadium, in dem an einen Release oder auch nur die Vorführung des Spiels noch lange nicht zu denken ist.
Das hat einen einfachen Grund: Das aufgetauchte Material war nie für die Öffentlichkeit bestimmt, es handelt sich um Clips und Fotos, die von Rockstar-Mitarbeitern untereinander geteilt worden waren. Der für den Leak verantwortliche Hacker hatte sich nämlich nicht ins vermutlich gut gesicherte Netzwerk der Spieleschmiede eingehackt. Sondern in das Chat-Programm eines Mitarbeiters.
Einfallstor Arbeits-Chat
Wie viele Unternehmen setzt Rockstar bei der Arbeit auf moderne Werkzeuge wie das bei zahlreichen Unternehmen beliebte Chat-Programm Slack. Das Programm bietet neben Chats auch zahlreiche Funktionen zur Zusammenarbeit, der gemeinsamen Nutzung dort gespeicherter Dokument sowie die Einbindung Unmengen weiterer Programme. Kein Wunder, dass es in vielen Firmen längst E-Mail und andere Tools ersetzt hat.
Wie gefährlich das sein kann, zeigt nicht nur der Hack bei Rockstar. Auch der Taxi-Konkurrent Uber wurde diese Woche über seinen Slack-Kanal gehackt - offenbar sogar vom gleichen Täter. Bei Rockstar scheint der Einstieg erschreckend einfach gewesen zu sein. Ein Mitarbeiter hatte bei einem anderen Dienst dieselbe Kombination aus Passwort und E-Mail benutzt. Nachdem der andere Zugang im Netz gelandet war, konnte sich der Angreifer auch im Rockstar-Slack anmelden. Und dort sämtliche Daten abgreifen, die dem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt worden waren.

Dass das Material echt ist, wurde von Anfang an kaum bezweifelt. Zu detailliert und zu ausgereift sind die Clips. Der für gute Kontakte in die Branche bekannte Jason Schreier konnte zuerst aus Rockstar-Kreisen bestätigen, dass die Daten echt sind. Die Entwickler seien "am Boden zerstört", verrieten seine Quellen. Mittlerweile hat sich auch Rockstars offizieller Twitter-Account mit einer Nachricht gemeldet und den Hack und die gestohlenen Ausschnitte als echt bestätigt.
Katastrophe für Rockstar
Für das Entwicklerstudio ist der Leak eine Katastrophe. Dabei geht es weniger um den Versuch der Hacker, die Firma mit den gestohlenen Daten zu erpressen. Auch dass sich zahlreiche Fans ohne technische Kenntnisse lautstark aufregen, wie schlecht das sehr unfertige Spiel noch wirkt, ist jetzt sicher nicht schön. Es lässt sich mit einem gelungenen, fertigen Produkt aber wieder ausgleichen. Die Story-Spoiler, die etwa erstmals eine weibliche Hauptdarstellerin bestätigen, sind ebenfalls ärgerlich, aber eher weniger schädlich. Die meisten Ausschnitte wurden mittlerweile ohnehin von Plattformen wie Youtube oder Twitter entfernt.
Ein echtes Problem ist, dass leider nicht nur Clips und Fotos im Netz landeten, sondern auch Original-Programmcode. Dieser könnte den Entwicklern noch potenziell Jahre in der Zukunft Kopfschmerzen bereiten. Nicht nur können Konkurrenten den Code analysieren, um bestimmte Mechaniken oder Herangehensweisen zu kopieren. Der Code lässt sich auch auswerten, um Schwachstellen darin zu finden - und diese mit Cheat-Programmen ausnutzen zu können.
Das reguläre "GTA VI" ist dabei weniger die Sorge. Die echte Gelddruckmaschine des Unternehmens ist längst der Mehrspieler-Modus "GTA Online". Dort können Spieler nicht nur gemeinsam Autos stehlen und sich beschießen. Sie können sich auch mit Spiele-Währung Vorteile erkaufen. Das lässt Rockstar sich ordentlich bezahlen. Fast 80.000 Dollar nimmt die Firma so aktuell in der Stunde ein, seit dem Start 2013 sollen fast 8 Milliarden Dollar zusammengekommen sein, berichtet "Tweaktown" unter Berufung auf die Quartalsberichte des Unternehmens. Sollten Hacker schnell das digitale Geld kopieren oder die so zu kaufenden Vorteile nachahmen können, würde das den Einnahmen empfindlich schaden. Diese Gefahr ist nicht rein hypothetisch: Seit Jahren werden die digitale Währung und Dienstleistungen um sie herum ohne Zustimmung des Entwicklers gehandelt.
Für andere Unternehmen bedeuten die aktuellen Hacks vor allem eines: Sie sind eine Warnung, sich bei der Handhabe geheimen oder anderweitig kritischen Materials nicht auf die Sicherheit der genutzten Werkzeuge alleine zu verlassen. Solange ein einzelner Mitarbeiter unvorsichtig ist, gibt es dort keine Geheimnisse.
Quellen:Twitter, GTA Forums, Tweaktown