Hintergrund zum Google-Rückzug So funktioniert Internetzensur in China

China gehört zu den härtesten Zensoren des Internet - und versucht gleichzeitig, der wirtschaftlichen Entwicklung durch das Netz genügend Raum zu lassen. Die Maßnahmen reichen von automatischen Filtern bis zu Horden von menschlichen Überwachern.

Wer im Ausland von der Online-Zensur in China liest - kein Facebook, kein Twitter, kein Youtube - könnte auf die Idee kommen, das Internet im Reich der Mitte sei langweilig. Das Gegenteil ist der Fall. Chinesische Nutzer tummeln sich in einem unüberschaubaren Raum, wo auch sie die "New York Times" lesen und harte Pornografie herunterladen können. Dazu kommen Websites für Spiele, Klatsch und Tratsch, akademische Foren und illegale Software. Diese Online-Welt ist vor allem riesig: Mit 384 Millionen Menschen hat China nicht nur die meisten Internet-Nutzer der Welt, sondern auch mehr als die USA überhaupt Einwohner haben.

Während Nachrichten auf Englisch - auch solche mit Kritik an China - meist abgerufen werden können, bleiben gewisse soziale Netzwerke wie Facebook sowie eine Reihe ausländischer Blogs ausgesperrt. Zu groß ist aus Sicht der Behörden die Gefahr, die von der blitzschnellen Verbreitung von Nachrichten über diese Kanäle ausgehen könnte. Auch Websites, die sich eingehender mit sensiblen Themen wie dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 oder der verbotenen Gruppe Falun Gong beschäftigen, werden blockiert. Eine völlige Sperre bleibt jedoch die Ausnahme.

Ausgeklügeltes System

Stattdessen setzt der Staat auf ein ausgeklügeltes System, das abweichende Meinungen zwar eindämmen, der wirtschaftlichen Entwicklung aber gleichzeitig genug Raum lassen will. Erste Anlaufstelle sind die Redakteure und Autoren von Websites. Sie erhalten regelmäßig von den Behörden detaillierte Anweisungen, wie sie mit den Inhalten umzugehen haben. Als Folge dessen kann es passieren, dass Themen von der ersten Seite genommen, die Kommentar-Funktion ausgestellt oder nur die Veröffentlichung von offiziellen Berichten erlaubt werden. Einige Beobachter vermuten, dass China zusätzlich eine "50-Cent-Armee" unterhält, die für minimales Entgelt regierungsfreundliche Kommentare in Foren stellt.

Allerdings tun viele Chinesen die Zensur mit einem Achselzucken ab. Wer genügend Geld hat, kann seinen Computer mithilfe der VPN-Technologie (Virtual Private Networks) über verschlüsselte Verbindungen direkt an das Internet außerhalb der Zensurmauern ankoppeln. In einer High-Tech-Version eines Katz-und-Maus-Spiels versuchen Internet-Nutzer, Blog-Postings schneller zu verbreiten als die Zensur sie aus dem Netz nehmen kann. Gelöschte Nachrichten werden dabei scherzhaft "harmonisiert" genannt - eine satirische Anspielung auf Präsident Hu Jintaos Vision einer "harmonischen Gesellschaft".

Reuters
Emma Graham-Harrison/Reuters

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