Kolumne - Neulich im Netz Tote Mäuse: Operation Telefonbanking

Wir schreiben das Jahr 2005 nach Christus. Die Bankwelt ist von enthirnten Schalterbeamten oder professionellen Internetlösungen besetzt. Nicht ganz, denn eine Bank hat gerade erst angefangen, Widerstand zu leisten - und Telefonbanking installiert. Ein Beziehungsdrama.

Die Einwahl ist kostenlos bei der Sparda-Bank Südwest und die Nummer leicht zu merken: 0800 und dann die Bankleitzahl. Die steht auf jeder Bankkarte des Instituts, also kaum zu verlieren. Bei anderen Spardas kostet der Anruf Geld. Das war's aber auch schon. Denn ansonsten lässt sich in dem System eine ganze Menge verlieren: vor allem Geduld, Zeit und Nerven. Und wäre diese Episode nicht in der betulichen Zeit zwischen dem Fest der Liebe und dem Beginn eines neuen Jahres geschehen, wer weiß, ob ich nicht auch mein Handy an die nächstbeste Hausmauer verloren hätte.

"Willkommen beim Telefonbanking der Sparda-Bank Südwest. Geben Sie mir jetzt bitte Ihre Kontonummer." Nette Stimme, ein wenig unterkühlt, so grüßt eine frisch verlobte Geigenschülerin ihren Postboten von Spitzenkragen zu Spitzhörnchen. Nennen wir sie Michaela, ein Allerweltsname Mitte 30. Etwas hastig am Anfang, aber wenigstens nett. Wer kann das von Bankbeamtinnen namens Michaela schon behaupten. Drei von sieben Ziffern versteht sie falsch. "Nein, nein, nein, noch mal". Sie gehorcht und beim dritten Versuch versteht Michaela. Nur nicht die Pin-Nummer. Die will sie nicht. Dabei habe ich die erst vor zwei Stunden geändert. In ihrer Hilflosigkeit bietet (oder bittet) Michaela mir einen Servicearbeiter zum Verzehr.

Geschwindigkeit ist alles

"Sie waren zu langsam", sagt Regine, Telefonistin Ende 20. Schneller gehe es mit der Telefontastatur, und immer mit der Rautentaste abschließen. "Sie waren zu langsam", sagt eine Gaby, Telefonistin Anfang 20, Germanistikstudentin ostdeutschen Ursprungs. Aber ich hätte doch mit der Tastatur wie empfohlen und auch die Raute, und außerdem sei ich ein schneller Finger und bald säuerlich. Das alles nur wegen einer dringenden Überweisung von 600 Euro und den Pin-Nummern im Büro. "Am besten", beseelt mich Gaby, "Sie geben die Kontonummer und die Pin direkt ein, sobald das System geantwortet hat." Das spare Zeit. Und immer schön die Rautetaste. Das mache sie auch selbst so. Gräuel der Kindheit: "Diese Schuhe sind sehr bequem und robust für ihren Sohn. Sehen sie, ich trage sie selbst". Weil sie sie selbst trug, bekam ich hässliche Ökotreter und machte mich zum Gespött der Klasse. Gaby war damals noch Ursuppe, die Schuhe sind längst kompostiert.

Guido Augustin

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das A der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Noch einmal eine neuen Pin geben lassen, weil der andere man weiß auch nicht so genau wohin der ist, und ich habe es geschafft. Triumphierend rufe ich Michaela ein "Überweisung" entgegen, noch bevor sie nach meinen Wünschen fragen kann. Wer weiß, ob sie sich das überhaupt noch getraut hätte. Diesmal klappt alles wie am Schnürchen: Professionell und sicher notiert sie Kontonummer und Bankleitzahl, nennt mir gar den Kontoinhaber und fragt nach dem Betrag. Gebranntes Kind, schlaues Kind: "6-0-0-#" tippe ich. "Sie möchten also 6 Euro überweisen?"

Michaela lässt sich prächtig anschreien. Und stellt mich zu einem Mitarbeiter durch. Lars, Anfang 30, ist cool. Auch die Telegramm-Zusammenfassung der Ereignisse des Tages lässt ihn ungerührt. "Ja, sie müssen eben auch die Cents eingeben. Wie bei einer richtigen Überweisung auch." Ja, das müsse man wissen, pflichtet er mir bei, und mancher tue sich da schwer, beeilt sich aber zu mutmaßen, dass einige wenige Anrufe ausreichen dürften, das System zu beherrschen. Die Diskussion währt nur kurz, ich gebe auf. Auch meine Versuche, mich als Projektleiter für nutzerfreundliche Telefonsysteme oder wenigstens als bezahlter Tester zu bewerben, tänzelt er souverän aus. Nachdem Michaela und die gesamte Nachbarschaft schließlich meine Kontonummer als auch Pin als auch die Höhe der Überweisung kannten, klappt es dieses eine Mal mit Michaela und mir. Tschüss, Liebes, es war ein Abschied für immer.

<a class="link--external" href="mailto:stern@ha-net.de">Guido Augustin</a>

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