Riegholm ist acht Jahre alt. Er kann Rad fahren, schwimmen, lesen - und natürlich auch allein zum Spielplatz im Nachbarviertel gehen. Glaubt er jedenfalls. "Ja ja, an der Ampel nur bei Grün gehen, nicht mit Fremden mitgehen, keine Dummheiten machen", äfft er die mahnende Mutter nach. Die aber hat Zweifel - und deshalb kommt ihr der stern-Praxistest des Kinderhandys Mymo (sprich "Mai-moh") gerade recht. Denn dank Mymo kann die alleinerziehende Mutter Andrea Androsch, 33, ihren Sohn nicht nur telefonisch erreichen. Über den Ortungsdienst www.trackyourkid.de sieht sie im Internet jederzeit, wo er sich herumtreibt.
Die Chemnitzer Firma
IT PlusPlus hat das Telefönchen speziell für Kinder entwickelt. Mymo hat die Größe einer Kleinkinderhand, es ist bunt wie ein Accessoire aus dem Teletubbies-Land und enthält keine Kamera, kein Adressbuch, keine SMS-Funktion, noch nicht einmal eine normale Tastatur: Drei Knöpfe dienen zum Einschalten, zum Telefonieren und zur Auswahl eines von fünf möglichen Gesprächspartnern. Deren Nummern hat Andrea Androsch einprogrammiert: Handy Mama, Handy Papa, Festnetz daheim, Lieblingsoma und Hort.
Riegholm soll probeweise Omas Nummer wählen, indem er zweimal den linken Knopf drückt. Beim ersten Drücken leuchtet links ein Lichtchen; drückt er noch einmal auf den Knopf, springt das Lichtchen eine Position weiter. "Hä, passiert ja gar nichts!", meckert er. Die Mutter erklärt: "Du drückst jetzt auf den dicken Knopf in der Mitte, dann klingelt's bei Oma." Bildsymbole oder Ziffern gibt es nicht, das Kind muss auswendig lernen, hinter welchem Lichtchen sich welche Nummer verbirgt. Kompliziert? Nicht für ein Technik-Kid, denn nach einer Minute konzentrierter Probedrückerei prahlt Riegholm: "Das ist ja voll baby."
7500 Mymos
hat IT PlusPlus schon verkauft - spezielle Handys für Kinder gibt es bislang kaum, auch wenn der Disney-Konzern für kommendes Jahr entsprechende Pläne hat. Viele Eltern interessieren sich vor allem für die Kooperation des Mymo-Herstellers mit der Gladbecker Firma Armex, die das Ortungssystem Trackyourkid entwickelt hat. Über eine Webseite im Internet oder per SMS erfahren die Erwachsenen, wo sich das Handy des Nachwuchses gerade aufhält. Das lässt sich im Mobilfunknetz orten, indem Richtung und Entfernung des Handysignals vom Funkturm der Basisstation gemessen werden. In Städten meldet das System den Standort mit 60 bis 200 Meter Genauigkeit, auf dem Land sind es 500 bis 900 Meter. Das genügt oft, um zu sehen, ob sich die Kleinen vom verabredeten Spielplatz Richtung Autobahn oder Flussufer verabschiedet haben.
89 Euro kostet das Handy ohne Telefonvertrag, bei Abschluss eines Zweijahresvertrags ist das Gerät inbegriffen. Eine Nachfolgevariante soll auch vorgefertigte SMS-Nachrichten senden können, etwa "Mama, bitte abholen".
Mit dem Mymo darf Riegholm allein auf den Spielplatz. Zehn Minuten später klingelt Mamas Handy: "Ich bin auf dem Spielplatz und hab Paul getroffen, ich muss jetzt auflegen, wir haben was vor, tschüs." Paul ist Riegholms bester Kumpel, ein besonnener Junge. Doch zu zweit ist das Bedürfnis, irgendwelchen Blödsinn anzustellen, viel größer. Andrea Androsch setzt sich an den Laptop und meldet sich auf der Seite www.trackyourkid.de mit ihrem Benutzernamen und ihrem Passwort an. Sie lässt das Handy orten und erfährt, dass Riegholm sich in der Nähe Bismarckstraße/Ecke St.-Jürgens-Straße befindet. Das ist eine besorgniserregend verkehrsreiche Kreuzung - doch der Spielplatz liegt nur 100 Meter entfernt und damit innerhalb der möglichen Ungenauigkeit. Zur Sicherheit wählt sie mit ihrem Handy die Nummer des Mymo. Nach dreimaligem Tuten wird die Verbindung gekappt.
Andrea Androsch versucht es
noch einmal. Jetzt meldet sich überlaut Riegholms Stimme: "Ich hab den falschen Knopf gedrückt, das Handy leuchtet voll komisch." Begeistert ist er nicht von seinem neuen Begleiter. "Das ist gar kein richtiges Handy. Außerdem muss ich immer so fest auf die Knöpfe draufdrücken." Immerhin ist er erreichbar, freut sich die Mutter: "Das ist schon praktisch, und mit einem richtigen Handy käme Riegholm noch nicht zurecht." Die Ortung dagegen würde sie sich genauer wünschen, aber: "Ich vertraue meinem Sohn und will ihn nicht heimlich überwachen. Da kann ich ihn lieber anrufen und fragen, wo er gerade ist."
Riegholm zieht derweil die Jacke aus, in deren Tasche sich das Handy befindet, und klettert auf einen Baum: "Wenn Mama jetzt anruft, muss ich schnell runterspringen." Der Sitz-Ast ist drei Meter hoch. Paul hat eine Idee: "Schalt das Ding doch aus. Hinterher kannst du ja sagen, die Batterie wäre leer." So leicht überlistet ein Achtjähriger den Überwachungsversuch von "Big Mother".