In nicht allzu ferner Zukunft wird ein neuartiger Assistent durch viele Häuser streifen. Der allzeit bereite gute Geist ist nicht aus Fleisch und Blut, sondern eine digitale Figur. Dennoch verfügt er über alle menschlichen Sinne und kann seinem Herrn die Wünsche sowohl von den Augen ablesen als auch auf Stimmen und Gesten reagieren.
"Damit werden Computeranwendungen bald so selbstverständlich sein wie Licht und Wasser", ist Professor José Encarnacao überzeugt: "Kaum einer wird noch wissen, wie die Leistungen entstehen und wo sie herkommen, aber jeder wird sie nutzen."
Das Experiment mit dem "elektronischen Haus"
Encarnacao leitet das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt und hat miterlebt, wie der Computer in den vergangenen Jahrzehnten in fast alle Lebensbereiche vorgedrungen ist. Für viele ist ein Tag ohne einen Blick in den E- Mail-Briefkasten undenkbar. Auch in Autos oder Telefonen gehört der Rechner inzwischen zum "unsichtbaren" Standard. Auf anderen Gebieten sorgt die Technik dagegen noch immer für Ärger - etwa beim Videorekorder. "Ich bin auch überfordert mit all den Fernbedienungen", gesteht der Professor ein.
Die große Frage für die Wissenschaft lautet deshalb, wie die Bedienung vereinfacht werden kann. "Auf der Welt leben Milliarden von Nutzern, die unabhängig von ihrer Intelligenz oder körperlichen Einschränkungen Zugang zu den Computern bekommen müssen," erklärt Encarnacao. Wie so etwas aussehen könnte, testen Wissenschaftler in Freiburg im elektronischen Haus. Dort sind Wände und Decken mit Kameras und Mikrofonen bestückt, die die Hausherren auf Schritt und Tritt verfolgen und auf seine Befehle warten.
Die Besitzer können dem Haus ihr Kommen sogar per Telefon ankündigen. Daraufhin wird die Wohnung vorgeheizt, eine CD eingelegt oder sogar das Badewasser eingelassen. Die Tür öffnet sich nach Iris- Prüfung. Der Kühlschrank ist gut bestückt, denn er hat selbstständig abgelaufene Lebensmittel entsorgt und Nachschub geordert. Eine Videoschaltung ins Haus der Eltern bringt die Sicherheit, dass die gehbehinderte Mutter wohlauf ist.
Arbeit am "Mensch-zentrierten Systemen"
Diese Allgegenwart des Computers ist jedoch sehr unpersönlich. Deshalb basteln Wissenschaftler weltweit an "Mensch-zentrierten Systemen": Die Anwender sollen eine virtuelle Person als Gegenüber bekommen. Diese wird als dreidimensional Lichtgestalt in den Raum projiziert. Die Forscher haben ihr den Namen «Avatar» gegeben, benannt nach dem Götterboten in der indischen Mythologie. An ihrem Aussehen und ihrer Sprache arbeiten zurzeit die Fraunhofer-Institute in Darmstadt und Birlinghoven sowie eine Forschungseinrichtung in Saarbrücken.
Macht die Technik den Menschen überflüssig?
Allerdings schafft die Technisierung Abhängigkeiten. Das zeigen mit Elektronik vollgestopfte Autos, die sich bei einem Defekt nicht mehr von der Stelle bewegen. Bei einigen Automarken gibt es bereits Notfallknöpfe, mit der eingeschlossene Fahrer Hilfe herbeirufen können. Solche Szenarien sind auch beim elektronischen Haus denkbar:
Die Bewohner können weder raus noch rein oder alle Küchenmaschinen streiken. "Natürlich wird es, wie bei Strom und Wasser auch, Ausfälle geben", sagt der Professor, "aber dafür werden wir Lösungen finden."
Nicht zuletzt bereitet der Vormarsch des Computers Angst. Schnell ist die Rede von "Big Brother", der alle beobachtet und kontrolliert. Encarnacao geht davon aus, dass sie die Gesellschaft ihre Einstellung zu vielen als privat erachtete Informationen ändern wird: "Wenn diese Fakten von allen abgefragt werden können, verlieren sie ihre Exklusivität." Bei jedem Fortschritt müsse der Mensch allerdings prüfen, was sinnvoll machbar, ethisch vertretbar und gesetzlich erlaubt sei, sagt der Professor: "Deshalb werden all diese Geräte immer auch ein Knopf zum Abschalten haben."