E-Mails zur Edathy-Affäre Wie das Kanzleramt sich gegen Oppermann wappnete

Von Wigbert Löer und Oliver Schröm
Edathy-Affäre: Thomas Oppermann schweigt beharrlich
Edathy-Affäre: In einer Mail an den Regierungssprecher Steffen Seibert bespricht Merkels Büroleiterin Beate Baumann das Vorgehen nach Oppermanns Aussagen im Februar 2014
© Bernd von Jutrczenka/DPA
SPD-Fraktionschef Oppermann trickste das Kanzleramt bei einer umstrittenen Pressemitteilung aus - sie führte zum Rücktritt von Innenminister Friedrich. Doch das Kanzleramt ergriff Gegenmaßnahmen.

Showdown in Berlin, es wird spannend: An diesem Donnerstag muss sich im Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre Thomas Oppermann vernehmen lassen, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Bei dem 61-Jährigen geht es um die Frage, ob er sich der Strafvereitelung schuldig gemacht hat, indem er Insiderwissen in der Causa Edathy frühzeitig an Andere weitergab. Oppermann schweigt seit Monaten zur Sache.

Ein wichtiges Thema bei der Befragung Oppermanns wird die Pressemitteilung sein, die Oppermann am 13. Februar 2014 veröffentlichte. Die Mitteilung war teilweise falsch, Oppermann nannte sie später "missverständlich". Und die Pressemitteilung hatte fatale Folgen für Bundesminister Hans-Peter Friedrich (CSU): Von Oppermann als Tippgeber der SPD geoutet, musste er zurücktreten. Die gerade erst gebildete Große Koalition geriet in ihre erste Krise.

Zu Oppermanns umstrittener Pressemitteilung liegen dem stern interne E-Mails aus dem Bundeskanzleramt vor. Sie zeigen, wie das Kanzleramt sich damals gegen Oppermann wappnete – um nicht selbst in die Affäre hineingezogen zu werden.

Merkels Büroleiterin widerspricht Thomas Oppermann

Am 20. Februar 2014 um 10.49 Uhr schickte Beate Baumann, Büroleiterin und engste Vertraute Angela Merkels, eine Mail an den Regierungssprecher Steffen Seibert. Der Anlass: die Aussage Thomas Oppermanns vor dem Innenausschuss des Bundestages. „Oppermann hat gestern auch erklärt, dass das Büro Chef BK (Bundeskanzleramt, die Red.) letzten Donnerstag seine PE (Presseerklärung, die Red.) vor Veröffentlichung erhalten habe“, schrieb Beate Baumann und klärte den Sprecher der Bundesregierung auf: „Fest steht, dass er seine PE mehr oder weniger zeitgleich dem Büro Chef BK 'zur Kenntnis' geschickt und öffentlich herausgegeben hat.“ Zur Kenntnis, dieses Detail war Baumann wichtig. Oppermann erweckte nämlich öffentlich den Eindruck, seine Mitteilung sein mit dem Kanzleramt abgestimmt. Dort wusste man jedoch nichts davon, weshalb Merkels Vertraute dem Regierungssprecher mailte, dass "uns hier im Kanzlerbüro der Sachverhalt völlig neu war".

Beate Baumann kam in ihrer Email an Steffen Seibert zu einem klaren Ergebnis: "Jedenfalls ist der von Oppermann bewusst oder unbewusst erweckte Eindruck, dass das Büro Chef BK auf die PE noch hätte Einfluss nehmen können, falsch." 

Parteifreunde wurden anders informiert 

Durch Oppermanns Pressemitteilung vom 13. Februar 2014 erfuhr die Öffentlichkeit, dass der damalige Innenminister Friedrich den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel gewarnt hatte: der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy stand auf der Kundenliste einer kanadischen Firma, die auch Kinderpornographie vertrieb. Durch Oppermanns Veröffentlichung war Friedrich dem Vorwurf ausgesetzt, Amtsgeheimnisse verraten zu haben. Zudem behauptete Oppermann fälschlich in seiner Mitteilung, BKA-Chef Jörg Ziercke habe ihm am Telefon den Vorgang bestätigt. Ziercke widersprach umgehend.

Wie trickreich das Büro Oppermann auch mit Blick auf das Kanzleramt agierte, zeigt eine E-Mail seines Büroleiters Heiner Staschen, die dem stern ebenfalls vorliegt. Gegenüber dem Kanzleramt hatte das Büro Oppermann von einer "geplanten" Pressemitteilung geschrieben – als sei noch Nichts entschieden. Eine Minute später jedoch sandte es dieselbe Mitteilung („Edathy 6.docx“ lautete der Anhang) an etliche Mitarbeiter der SPD und SPD-geführter Ministerien. Hierin bezeichnete Oppermanns Büro den Text derselben Pressemitteilung keineswegs als „geplant“, sondern als "abgestimmt".

Thomas Oppermann bzw. sein Büro täuschten das Kanzleramt mit diesem kleinen, aber feinen Unterschied. Den Parteifreunden wurde in der Mail reiner Wein eingeschenkt – die Pressemitteilung blieb nämlich in der Tat unverändert und wurde wenige Minuten später veröffentlicht. Gegenüber dem Kanzleramt jedoch tat das Büro Oppermann so, als bestehe noch Gelegenheit zur Änderung.

CDU: Oppermann wurde geschont 

Merkels Vertraute überlegten nun, was zu tun war. Zuerst ließ sich Beate Baumann vom Büro des Kanzleramtsministers Peter Altmaier eine Kopie der Email mit der Pressemitteilung aus dem Büro Oppermann zusenden. "Wir brauchen es für evtl. Nachfragen", erklärte Baumann. Drei Minuten später hatte die Merkelvertraute die Email. Nun konnte sie abgleichen, dass Thomas Oppermann seine Pressemitteilung in der Tat sehr bald nach dem Eingang der "Kenntnis"-Mail im Kanzleramt veröffentlicht hatte.

Es dauerte einen Tag, dann bekam Regierungssprecher Seibert aus dem Büro des Kanzleramtsministers zwei Sätze zu Oppermanns Presseerklärung zugemailt, mit denen er an die Öffentlichkeit gehen konnte. "Die Presseerklärung wurde dem Büro ChefBK so spät übermittelt, dass es ChefBK aufgrund der Umstände nicht mehr möglich war, vor ihrer Veröffentlichung davon Kenntnis zu nehmen", lautete der erste Satz. Außerdem durfte Seibert, allerdings "nur auf Nachfrage", äußern: "ChefBK war an dem entsprechenden Vormittag 2 Stunden im Plenum anwesend, ohne dass der FV (Fraktionsvorsitzender, die Red.) Oppermann sich veranlasst sah, ihn auf die Pressemitteilung anzusprechen."

Thomas Oppermann überstand damals die Koalitionskrise, trotz allem. Das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn verriet vor einigen Wochen, Oppermann sei "geschont" worden. Nun, da Oppermann vor den Untersuchungsausschuss treten muss, besteht die Große Koalition immer noch. Doch die Vertreter der Union im Ausschuss vermittelten zuletzt nicht den Eindruck, als ob Thomas Oppermann nochmal geschont werden solle.