Der 11. September ist zum Fanal des weltweiten Terrors von al Qaeda gegen den Westen im Allgemeinen und "den großen Satan" USA im Besonderen geworden. Am Montag übernächster Woche ist es genau fünf Jahre her, dass 19 islamistische Selbstmordattentäter vier Flugzeuge in ihre Gewalt brachten. Zwei der Maschinen steuerten sie in die Türme des World Trade Center in New York, eines in das Pentagon-Gebäude in Washington, und das vierte stürzte bei Pittsburgh ab. Insgesamt starben damals 3000 Menschen, 2800 allein in und um das World Trade Center.
Neben den brennenden und einstürzenden Türmen sind es vor allem die Bilder der Überlebenden, der Retter und der Angehörigen, die uns im Gedächtnis geblieben sind: Marcy Borders zum Beispiel, die staubbedeckte Bankangestellte, die sich vor dem einstürzenden Südturm in die Lobby des Nordturms rettete. Rachel Uchitel, die blonde TV-Producerin, die von Weinkrämpfen geschüttelt nach ihrem vermissten Verlobten suchte. Bob Beckwith, der pensionierte Feuerwehrmann, der siegessicher an Bushs Seite auf den Trümmern von Ground Zero stand. Ihre Fotos gingen damals um die Welt und werden in Erinnerung bleiben als Zeugnisse einer Katastrophe, die die Welt erschütterte und bis heute prägt.
Als das New Yorker stern-Team vor vier Monaten begann, nach diesen Menschen zu suchen, war dies schwieriger als gedacht. Einige waren aus New York geflohen, andere wollten nicht mehr reden oder waren noch immer traumatisiert.
Am Ende aber konnten unser Korrespondent Jan Christoph Wiechmann, die Bildredakteurinnen Sue Lapsien und Angelika Hala sowie Assistentin Anuschka Tomat doch fast alle überzeugen, ihre bewegenden Geschichten zu erzählen. Mary Duff, die ihren Mann Peter verlor, gab dem stern ihr erstes Interview überhaupt. Marcy Borders bat Wiechmann, sie zu Hause zu treffen, weil sie ihre Wohnung aus Angst vor weiteren Anschlägen so gut wie nie verlässt. Bob Beckwith klärte den stern-Reporter in einem fünfstündigen Gespräch darüber auf, dass Amerika unter seinem von Gott berufenen Präsidenten George W. Bush die Welt so erfolgreich von allem Bösen befreien werde wie einst von Adolf Hitler.
Der Jahrestag des 11. September ist auch Titelthema von VIEW, dem monatlichen Bildermagazin des stern. Die Septemberausgabe, die von Samstag an im Handel sein wird, zeigt bisher wenig bekannte Aufnahmen der Katastrophe. Die meisten von ihnen wurden nicht von Profi-Fotografen, sondern zufällig anwesenden Augenzeugen gemacht. Sie alle erzählen die Geschichte ihrer Bilder. Nur 20 Menschen überlebten damals in den Trümmern der Türme. Einer von ihnen schildert die Ewigkeit zwischen Einsturz und Rettung - ebenfalls nachzulesen in VIEW.
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn