SPD-Chef Kurt Beck geht es wie Goethes Zauberlehrling: "Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!" Beck hat das Wort Unterschicht in den Mund genommen. Und seit eine neue Studie von 6,5 Millionen Menschen spricht, die sozial ausgeschlossen und abgestiegen sind, ist die Aufregung groß.
Die Erkenntnisse sind vor allem für die SPD bitter: Sie hat sich immer als Partei der kleinen Leute verstanden, muss nun aber erfahren, dass die Unterschicht eher rechts- und linksextrem oder gar nicht wählt - auf jeden Fall kaum noch SPD. Auch muss sich die Partei fragen lassen, warum die Schere zwischen Arm und Reich besonders weit auseinanderging, als sie den Bundeskanzler stellte.
Prompt versuchte Parteichef Müntefering, den Geist zu verscheuchen, indem er einfach bestritt, dass es eine "Unterschicht" gibt. Die Forscher reden umständlich von "abgehängtem Prekariat", die Politiker lieber von "neuer Armut". Am Ende meinen alle das Gleiche: jene Menschen, die sich mit Stütze und unsicheren Jobs durchschlagen, kaum noch Interesse an einem Aufstieg haben, sich geistig von Klamauk-Sendungen und körperlich von Junkfood ernähren, viele sind verschuldet, dazu oft auch alkohol- und drogenabhängig.
Was ist zu tun? Nicht mangelnde finanzielle Unterstützung ist das Hauptproblem dieses Milieus, sondern Bildung, meint stern-Autor Walter Wüllenweber, und er kann dies eindrucksvoll belegen. Seinen Essay lesen Sie im stern ab Seite 68.
Nordkorea ist nicht nur wegen des Atomtests weltweit geächtet. Von den 23 Millionen Einwohnern sind 8 Millionen chronisch unterernährt. Es gibt keine Menschenrechte und keine Pressefreiheit, weshalb auch selten authentische Bilder und Informationen nach draußen dringen. Der Fotograf Jan Sibik, 43, war als Mitglied einer Delegation des tschechischen Parlaments vier Tage in Nordkorea und hatte dadurch, so vermutet er, etwas mehr Bewegungsspielraum. Während der Minibus der Delegation durch die Hauptstadt Pjöngjang raste, konnte er unbemerkt das triste Alltagsleben der Menschen durchs Fenster fotografieren. Auch der in Peking beheimatete stern-Korrespondent Adrian Geiges, 46, gehört zu den wenigen Ausländern, die das geheimnisvolle Land unlängst besucht haben. Nach zwei Monaten Prüfung wurde ihm das Visum erteilt. Die Grenzer nahmen ihm den Pass ab und gaben ihn erst zurück, als er Nordkorea wieder verließ. "Es war wie eine Zeitreise", sagt Geiges. "Die einfache, uniformartige Kleidung der Menschen und die Propaganda-Gemälde auf der Straße erinnern an die Sowjetunion in den 1930er Jahren und an China während Maos Kulturrevolution." Seine nordkoreanischen Begleiter führten ihn unter anderem an die Grenze zu Südkorea, um ihm, so wörtlich, "die hässliche Fratze der amerikanischen Imperialisten zu zeigen".
Die Reportage über den "Alltag in Absurdistan" beginnt im stern auf Seite 28.
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn