In dieser Woche startet "Der Untergang" in den Kinos. Das Epos von Produzent Bernd Eichinger über die letzten Tage im Führer-Bunker ist die Schaumkrone auf einer Hitlerwelle, die zurzeit durchs Land schwappt. Heinrich Breloer, der an einem TV-Dreiteiler über Hitler und Speer arbeitet, hat gar "eine Art Nazi-Olympiade" ausgemacht. Die Faszination des Bösen entfaltet sich breit im Fernsehen, im Kino und auf dem Buchmarkt. Denn das Interesse des Publikums scheint neu erwacht zu sein. Wollen die Neugierigen wirklich wissen, wie es war - oder wird Hitler nun zum Konsumartikel, der unter dem Deckmantel der geschichtlichen Aufklärung prima zu vermarkten ist?
Verharmlosung lässt
sich nur vermeiden, wenn Autoren, die sich Hitler und seinen Mittätern ernsthaft zuwenden, ihrer Verantwortung gerecht werden. Also: das Fiktionale weitgehend ausblenden, sich melodramatische Abwege verkneifen und die Dimension der Nazi-Verbrechen nicht als hinreichend bekannt voraussetzen. Denn es gibt immer noch zu viele Deutsche, die rechtsradikal wählen, ob im Saarland oder am kommenden Wochenende in Brandenburg und Sachsen (Seite 66). Unbelehrbar sind nicht nur diejenigen, die ernsthaft meinen, die braun gefärbten Pseudo-Demokraten könnten irgendetwas zum Besseren wenden. Wer NPD oder DVU wählt - auch aus Protest - leugnet schlicht die Nazi-Verbrechen.
"Untergang"-Regisseur Oliver Hirschbiegel versucht dem Ausmaß der Hitler-Apokalypse gerecht zu werden, indem er die Leiden der Zivilbevölkerung in die letzten zwölf Tage des Diktators einstreut. Auschwitz war damals längst befreit. "Es wäre katastrophal, wenn jetzt eine Trivialisierung einsetzt und das Thema in ein warmes Licht getaucht wird", sagt Drehbuch-Autor Eichinger in dem Gespräch, das er und Hitler-Darsteller Bruno Ganz mit dem stern führten (Seite 60). Warum wurde dann darauf verzichtet, das Grauen der Judenvernichtung in Bilder zu fassen? Der Film beginnt schließlich mit Szenen im Jahr 1942!
Immerhin: Autor und Schauspieler machen aus dem Monster Hitler einen Menschen, aber keinen Konsumartikel. "Am Ende ist man ganz froh, dass die düstere Brut im Führerbunker sich endlich entleibt", schreibt stern-Autorin Gerda-Marie Schönfeld in ihrer Titelgeschichte über Hitlers langen Schatten (Seite 48). Warum ein ganzes Volk trotzdem diesem Mann gefolgt ist, kann auch Eichingers Film nicht erklären. 60 Jahre nach Kriegsende blickt man immer noch schockiert zurück in die Vergangenheit. Der industrialisierte Massenmord bleibt für immer und ewig unbegreiflich. Mit der zeitlichen Entfernung von dem Ereignis nimmt das Entsetzen eher noch in dem Maße zu, in dem sich die moderne Zivilgesellschaft moralisch festigt.
Auschwitz liegt auf dem Grund
der deutschen Geschichte wie ein Findling, den man nie mehr heben kann. Deshalb wird es auch keinen konventionellen Nationalstolz geben können. Aber einen selbstbewussten Verfassungpatriotismus, der sich nicht an der Verantwortung für das braune Kapitel deutscher Geschichte vorbeimogelt.
Herzlichst Ihr
Andreas Petzold