Editorial Neue Spuren zu Barschels Mördern?

Liebe stern-Leser!

Der Fall Uwe Barschel beschäftigt seit 20 Jahren die Öffentlichkeit. Das liegt auch daran, dass so gut wie nichts an diesem Politkrimi wirklich aufgeklärt ist: weder, ob Barschel als CDU-Ministerpräsident Anstifter oder Opfer von schmutzigen Tricks in Kiel war, noch, wie und warum er gestorben ist. Auch die Staatsanwaltschaft Lübeck geht längst von Mord aus, musste die Ermittlungen aber mangels konkreter Hinweise auf die Täter und auf Anordnung von oben einstellen. Rudolf Lambrecht, viele Jahre stern-Redakteur, ließ der Fall Barschel auch nach der Pensionierung keine Ruhe. Zusammen mit Leo Müller, der früher ebenfalls beim stern war und heute als Reporter in Zürich über Finanz- und Wirtschaftskriminalität schreibt, recherchierte Lambrecht für ein Buchprojekt weiter. Erstmals liefern die beiden nun - gestützt auf Dokumente und Zeugenaussagen - eine plausible Erklärung dafür, warum Uwe Barschel nach seinem Sturz zu einem "Sicherheitsrisiko" für hochrangige Waffenhändler wurde und deshalb höchstwahrscheinlich zum Schweigen gebracht werden musste. stern-Autor Peter Sandmeyer, der mit der Affäre seit vielen Jahren ebenfalls bis ins Detail vertraut ist, beschreibt die schwierige Wahrheitssuche und die neuen Erkenntnisse über einen "Deal mit Todesfolge" (Seite 178).

Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber fast alle Terroristen sind heutzutage Muslime. Dieses betrübliche Eingeständnis von Abdel Rahman al-Raschid, Direktor des Fernsehsenders al-Arabija, 2004 im stern veröffentlicht, hat leider nichts von seiner Aktualität verloren. Im Gegenteil: In Deutschland sind nicht nur radikale Islamisten aus dem Nahen und Fernen Osten ein Problem für die innere Sicherheit, sondern neuerdings auch zum Islam konvertierte Deutsche. Das macht Angst und wirft die Frage auf: Wird die Religion nur missbraucht, oder ist sie keineswegs so friedlich, wie ihre offiziellen Vertreter immer wieder beteuern? Am Beispiel von Fritz Gelowicz, der vergangene Woche verhaftet wurde, lässt sich die Verwandlung vom interessierten Gläubigen zum fanatischen Aktivisten gut studieren. Vor zwei Monaten hatte der stern noch mit ihm in Ulm gesprochen, weil er von den Behörden als "islamistischer Gefährder" eingestuft wurde. Eine Woche danach, so wissen wir heute, fuhr er zu einer Firma nach Hannover, um sich Fässer voller Wasserstoffperoxid zu besorgen, mit denen man Sprengstoff herstellen kann. Was Fritz Gelowicz dem stern im Sommer erzählte und wie ihn die Behörden schließlich überführten, beschreiben wir auf Seite 30.

Wie viele Einwohner Mumbai (früher Bombay) wirklich hat, kann niemand genau sagen: zwischen 15 Millionen und 20 Millionen. Mumbai ist das Herz der boomenden indischen Wirtschaft und gleichzeitig die Stadt mit den größten Slums der Welt. Von dort wird in Zukunft unser Kollege Teja Fiedler berichten, stern-Korrespondent in Italien von 1987 bis 1994 und in den USA von 1994 bis 1999, seither Reporter im Auslandsressort und Autor zahlreicher Serien. Themen bietet die kommende Großmacht reichlich, in der IT-Paläste und mittelalterliche Landwirtschaft, überbordender Zukunftsglaube und erdrückende Alltagsprobleme so dicht nebeneinander liegen wie sonst wohl nirgends auf der Welt. Fiedlers erste Reportage über das "unglaubliche Indien", so der offizielle Werbeslogan des Landes, beginnt auf Seite 74.

Herzlichst Ihr

Thomas Osterkorn

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