Es passierte am 31. Mai 1987: Uwe Barschel, der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, befand sich auf dem Rückflug aus Bonn, wo er sich mit Bundeskanzler Helmut Kohl getroffen hatte. Er saß in einer Cessna Citation, einer zweistrahligen Maschine, die auf dem Verkehrsflughafen Lübeck-Bankensee landen sollte, keine 30 Kilometer von Barschels weißer Villa in Schmalsee bei Mölln entfernt. Es waren noch gut drei Monate bis zur nächsten Landtagswahl im nördlichsten Bundesland. Seine Wiederwahl gegen seinen Herausforderer Björn Engholm galt alles andere als gesichert.
An jenem Abend ist es gegen 23 Uhr bereits dunkel, und es herrschte Nieselregen, als sich die gecharterte Cessna 501 der Düsseldorfer Travel Air im sinkenden Gleitflug befindet. An Bord sind neben Uwe Barschel noch sein Bodyguard Bernd Hansen sowie der Pilot Michael Heise und die Kopilotin Elisabeth Friske.
Noch vor dem Aufsetzen streift die linke Tragfläche einen 16 Meter hohen Funkmast, der die Maschine ins Trudeln bringt. 150 Meter vor Beginn der Piste schlägt der Jet auf einem Feld auf und fängt sofort Feuer. Herbeigeeilte Rettungskräfte finden kurze Zeit später die tote Cockpit-Crew und den schwerverletzten Leibwächter. Uwe Barschel kauert auf dem Feld und bittet um eine Decke. Aus eigener Kraft konnte er sich aus dem zerbrochenen Flugzeugrumpf rechtzeitig ins Freie retten.
"Es grenzt an ein Wunder, dass Barschel überlebte"
Die beiden Überlebenden werden in die Unfallklinik der Medizinischen Universität Lübeck eingeliefert, wo der Sicherheitsbeamte wenige Tage darauf verstirbt. Nur Barschel übersteht das Unglück, erleidet mehrere Rippen- und Wirbelbrüche.
"Es grenzt an ein Wunder, dass Barschel überlebte", sagte damals Harry Kleinschmidt, der Geschäftsführer des Flughafens Lübeck. Noch am Krankenbett empfängt Barschel prominenten Besuch, unter anderem den Komponisten Leonard Bernstein und den Geiger Yehudi Menuhin. Zwei Jahre zuvor hatte Barschel das Schleswig-Holstein Musik Festival mitbegründet. Der Oppositionsführer im Kieler Landtag, Björn Engholm, wünscht ihm "baldige Genesung".
Schon nach wenigen Wochen steht Barschel im Wahlkampf und gibt sich geläutert: "Wem das Leben buchstäblich noch einmal geschenkt wurde ..., der wird nachdenklicher, der wird auch bescheidener", zitiert ihn der WDR. "Es war glänzend geschauspielert", sagt CDU-Politiker Trutz Graf Kerssenbrock rückblickend. "Er war ein absoluter Profi in diesen Dingen."
Einen Tag vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 13. September werden die Verleumdungskampagne gegen seinen SPD-Widersacher Engholm durch den "Spiegel" bekannt. Barschel verliert die Wahl, gibt seine berühmt-berüchtigte "Ehrenwort"-Pressekonferenz und wird am 11. Oktober desselben Jahres von dem stern-Reporter Sebastian Knauer in einer Genfer Hotelbadewanne tot aufgefunden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der zweite Absturz der Kopilotin
Warum die Cessna an jenem Pfingstsonntag des Jahres 1987 zu tief flog, blieb ungeklärt. Schon damals machte eine Verschwörungstheorie die Runde, dass angeblich die Stasi einen Mordversuch unternommen habe. Doch der Untersuchungsbericht des Luftfahrt-Bundesamtes schließt einen Sabotageakt aus.
Tatsache ist, dass der Jet mit der Kennung D-IAEC das Funkfeuer in einer Höhe von 60 Metern hätte passieren müssen. Die beiden letzten Funksprüche aus dem Cockpit waren: "Flughafen in Sicht" und "Landebahnbefeuerung dämpfen".
Besonders tragisch war der Tod der Kopilotin: Elisbeth Friske hatte 16 Jahre zuvor einen Flugzeugabsturz in Schleswig-Holstein überlebt. Damals saß sie als erste Pilotin in einem deutschen Passagierflugzeug überhaupt im Cockpit einer BAC 1-11 mit 115 Passagieren.
Der Charterflug der Fluggesellschaft Paninternational war in Hamburg-Fuhlsbüttel mit dem Ziel Málaga gestartet. Doch an jenem 6. September 1971 überhitzten kurz nach dem Start die Triebwerke. Den Flugkapitänen gelang die Notlandung auf der A7 bei Hasloh nördlich von Hamburg. An einem Brückenpfeiler rissen die Flügel ab, der Rumpf zerbrach in drei Teile. 99 Menschen überlebten, darunter auch Kopilotin Friske.