Dichter Nebel herrschte am Boden, als sich am 27. März 1977 auf Teneriffa die schwerste Luftfahrtkatastrophe mit der höchsten Opferzahl ohne eine direkte Beteiligung von Terroristen ereignete. Die hohe Zahl von 583 Toten kam dadurch zustande, dass erstmals zwei Großraumflugzeuge an einem Unglück beteiligt waren, zwei Maschinen vom Typ Boeing 747, dem damals größten Passagierjet.
Die beiden Jumbojets waren als Charterflüge unterwegs: KLM-Flug 4805 der niederländischen Fluggesellschaft KLM mit 235 Urlaubern an Bord und PanAm-Flug 1736 mit 396 amerikanischen Kreuzfahrtgästen. Beide Jets wollten starten. Doch da die Rollwege an jenem Frühlingssonntag von weiteren Flugzeugen blockiert waren, mussten die Maschinen den Weg über die Startbahn nehmen.
"Sie haben Freigabe zum Funkfeuer Papa"
Um 16.58 Uhr hatte der Tower den KLM-Jumbo angewiesen, bis zum Ende der Startbahn 12 zu rollen und dort zu wenden, wo die Crew die Startfreigabe abwarten sollte. Wenige Minuten später erhielt der PanAm-Jumbo die Aufforderung, ebenfalls die Startbahn zu benutzen, um über eine Querbahn die Piste 12 wieder zu verlassen und über ein freies Teilstücks des Taxiways zur Startposition zu rollen.

Während sich die PanAm-Maschine noch auf der Bahn 12 bewegte, betätigte bereits am Ende der Piste der Pilot Jacob Veldhuyzen van Zanten in der KLM-Boeing die Schubhebel - er glaubte, dass die Bahn frei sei und er starten könne. "KLM vier acht null fünf, Sie haben Freigabe zum Funkfeuer Papa", hieß es um 17.05 Uhr vom Tower. "Halten Sie Flughöhe neun null Rechtskurve nach dem Start. Weiterflug Richtung null vier null bis zum Radial drei zwei fünf von Las-Palmas-Drehfunkfeuer."
Zwei Jumbos auf einer Piste
Der Jumbo mit dem Namen "Rijn" beschleunigt bereits. Doch handelt es sich bei diesem Funkspruch nur um eine Beschreibung der Flugroute - nicht um eine Startfreigabe. Die vier Triebwerke heulen auf.
Dann sieht die Crew auf derselben Startbahn den entgegenkommenden Jumbo der Amerikaner. Der Kapitän van Zanten versucht die Jumbo in die Luft zu bekommen, reist die Nase so sehr hoch, dass das Heck auf der Piste aufkommt, und hebt ab. Doch es reicht nicht an Höhe, um den PanAm-Jumbo zu überfliegen: Das Fahrwerk der KLM-Maschine reißt den Rumpf des sich noch am Boden befindlichen Jumbos auf, und die linke Tragfläche rasiert das Leitwerk der PanAm-747 ab. Nach 150 Metern in der Luft stürzt der KLM-Jumbo ab, schlittert 300 Meter weiter und geht weit hinter der Piste in Flammen auf. Alle Insassen kommen ums Leben.
Der amerikanische Jumbo rollt zunächst noch weiter, bricht dann auseinander, auslaufendes Kerosin entzündet sich. 70 Menschen entkommen der Flammenhölle, einige von ihnen erliegen jedoch später ihren Verletzungen.
Weitreichende Konsequenzen des Unglücks auf Teneriffa
Neben der Missachtung des KLM-Piloten, der keine Startfreigabe hatte, gab es eine Überlagerung des Funksprechverkehrs zwischen Tower und beiden Flugzeugen. Im Untersuchungsbericht ist unklar, ob alle Funksprüche richtig erkannt wurden. Mit dem Satz des KLM-Piloten "we are now at take-off" hatte der Flugloste nicht realisiert, dass der Jumbo bereits beschleunigte.
Als fatal erwies sich zudem, dass der Flughafen damals über kein Bodenradar verfügte und die Flugaufsicht die Rollbewegung nur per Sicht verfolgen konnte. An jenem nebligen Sonntag war dies jedoch unmöglich.
Als Konsequenz aus dem Unglück wurden die Formulierungen für die Startfreigabe geändert, die seitdem für eindeutige Klarheit sorgen. Auch wurde ein heute selbstverständliches Crew Resource Management eingeführt, das die Entscheidungswege im Cockpit optimiert, Einwände anderer Crew-Mitglieder unabhängig von der Hierarchie berücksichtigt und auf mehr Teamarbeit setzt. KLM änderte auch ihre Dienstzeitvorschriften, denn die Besatzung stand damals unter zeitlichem Druck.
Chaos auf den Flughäfen der Kanaren
Eigentlich waren beide Flüge gar nicht für Teneriffa vorgesehen, sondern sollten auf der Nachbarinsel Gran Canaria landen. Doch auf dem dortigen Flughafen war gegen Mittag eine Bombe angeblich kanarischer Separatisten explodiert, die nur geringe Schäden angerichtet hatte, aber zur vorübergehenden Schließung des Airports führten. Somit wurde der kleine Flughafen Los Rodeos im Norden Teneriffas mit seiner 3300 Meter langen Piste und nur einer parallelen Rollbahn zum Ausweichflughafen für viele Teneriffa-Flieger.

Die Untersuchungsberichte des Unglücks sprechen wie so häufig bei Flugzeugkatastrophen von einer Verkettung unglücklicher Umstände. Der wegen seines Nebels berüchtigte Flughafen Los Rodeos sollte schon damals durch einen Neubau im Süden der Insel ersetzt werden. Der Aeropuerto de Tenerife Sur, auf dem heute die meisten Ferienflieger landen, wurde 1978 - nur 20 Monate nach dem schwersten Unglück in der Geschichte der Luftfahrt - eröffnet.
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