Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gerade für viele junge Eltern die größte Herausforderung. Das neue Lebensmodell „Familie“ muss sich erst einspielen, denn beides bedeutet neben der neuen Verantwortung die Investition von Zeit. Gerade bei Doppelverdienern ein knappes Gut. Ein Studie von XING und Statista zeigt, dass bei Frauen und Männern die Anforderungen an Rahmenbedingungen wie Teilzeit, Kinderbetreuung und staatlicher Förderung durchaus unterschiedlich sind. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, dass die Zahlen von XING und Statista nur bedingt aussagekräftig sind. Letztendlich befasst sich die Studie „361° - Nur Mut!“ mit den wahren Gründen der Väter, Teilzeit wenig oder gar nicht zu beanspruchen.
Im Rahmen der besagten XING-Studie wurden über 1.000 Bürgerinnen und Bürger befragt, welche Möglichkeiten ihnen den Spagat zwischen Job und Familie vereinfachen. Es zeigt sich, dass Teilzeit für Männer (69 Prozent) eine weitaus geringere Bedeutung hat, als für Frauen (89 Prozent). Eine „bezahlbare Kinderbetreuung“ halten 67 Prozent der für sehr wichtig. Nur 47 Prozent der Männer schätzen das Thema als „sehr wichtig“ ein. Zum Thema Elternzeit nähern sich die Zahlen wieder ein wenig an. Das ist sicherlich auf die staatliche Förderung der Väter zurückzuführen, die zumindest die zwei Monate Mindest-Elternzeit immer häufiger wahrnehmen. Das es meist „nur“ die zwei Monate Elternzeit sind, die junge Väter beanspruchen, zeigt sich auch in den Diskussionen zwischen den Vätern auf der DADDYlicious-Facebook-Seite. Nicht verwunderlich ist dadurch auch der Unterschied auf die Frage nach der Unterstützung durch den Partner. Für 67 Prozent der befragten Frauen ist das „sehr wichtig“, während dieses Thema lediglich 44 Prozent der männlichen Befragten besonders wichtig ist.
Neun von zehn Alleinerziehenden sind weiblich
Auch die Unterschiede auf die Fragen nach staatlicher Förderung und Unterstützung durch den Arbeitgeber zeigen, dass überwiegend die Väter Hauptverdiener der Familie sind. Familie. Wir reden hier die ganze Zeit von dem Idealmodell der Gesellschaft. Blickt man auf die Zahlen einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, dann wird deutlich, warum die Unterschiede so deutlich sind: In Deutschland ist jede fünfte Familie alleinerziehend. Neun von zehn Alleinerziehenden sind weiblich.
Bei nur einem Elternteil aufzuwachsen ist für 2,2 Millionen Kinder Normalität – das sind rund 370.000 Kinder mehr als noch Mitte der 90er Jahre. Lebte damals nur etwa jedes neunte Kind in einer alleinerziehenden Familie, ist es heute schon mehr als jedes sechste. Den meisten Alleinerziehenden gelingt es sehr gut, ihren Lebensalltag zu bewältigen und den Spagat zwischen Erwerbstätigkeit, Kinder(n) und Haushalt hinzubekommen.
Alleinerziehende leben fünfmal so oft im Hartz IV-Bezug
Viele stoßen angesichts der besonderen Herausforderungen, die diese Familienform zu bewältigen hat, aber auch an ihre Grenzen. Das ist angesichts der Rahmenbedingungen, die ihnen unsere Gesellschaft bietet, auch kein Wunder. Inzwischen wächst jedes zweite Kind, das in Deutschland auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist, in einer Ein-Eltern-Familie auf. Alleinerziehende leben fünfmal so oft im Hartz IV-Bezug wie Paarfamilien – mit teilweise erheblichen Risiken für die Entwicklungs- und Bildungschancen der Kinder.
Auffällig ist dabei, dass Alleinerziehende (im Gegensatz zu Paarfamilien) in allen Bundesländern besonders stark von Armut betroffen sind. Das weist darauf hin, dass bundesweit geltende Rahmenbedingungen diese Problemlage herbeiführen. Die Studie von Prof. Dr. Anne Lenze für die Bertelsmann-Stiftung zeigt auf, dass viele Reformen in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt haben, dass der finanzielle Druck gerade in diesen Familien zugenommen hat.
Es zeigt sich also, dass eine geschlechterspezifische Betrachtung des Themas „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ ohne die Berücksichtigung des Familienstandes kaum Aussagekraft hat. Kinder werden in Deutschland trotz Gleichberechtigung meist von den Müttern betreut und erzogen. Im Falle einer Trennung übernehmen nur zehn Prozent der Männer die Rolle des alleinerziehenden Vaters. Es ist folglich nur logisch, dass Frauen auf staatliche Förderung und Unterstützung für den Arbeitgeber angewiesen sind. Es ist also Sache der Politik und der Wirtschaft, diese Förderung zu ermöglichen. Und das in erster Linie für die Kinder, die unter den Bedingungen besonders leiden.
Aber wie sehen es die Väter?
Viele Männer wünschen sich mehr Familienzeit. Doch wie die Studie „361° - Nur Mut!“ der Unternehmensberatung A.T. Kearney zeigt, haben bislang weniger als die Hälfte aller Väter familienfreundliche Leistungen - wie Teilzeit oder Elternzeit - in Anspruch genommen. Der Grund hierfür: Noch immer stehen ihren Wünschen und Bedürfnissen nach Neuerleben der Familie tradierte Rollenbilder und väterfeindliche Unternehmenskulturen gegenüber. Dabei sehen sich Männer gar nicht mehr in erster Linie als materielle Versorger, sondern möchten auch an der Erziehung ihrer Kinder teilhaben. Der Studie zufolge würde sogar fast ein Drittel aller Vollzeit arbeitenden Männer ihre Arbeitszeit verkürzen.
Nur wenige Vorbilder unter den Führungskräften
„In vielen Unternehmen fehlen schlichtweg Vorbilder, also Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern Mut machen, mehr Flexibilität einzufordern und dies auch umzusetzen“, sagt Dr. Martin Sonnenschein, Managing Director Central Europe on A.T. Kearney und Mitbegründerr der 361° Familieninitiative. Demnach kommen sich Männer, die familienfreundliche Maßnahmen in Anspruch nehmen, oft wie Exoten vor und befürchten berufliche Nachteile: Nur 35 Prozent der Männer geben an, dass Vereinbarkeit in ihrem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit sei. Vier von zehn kinderlosen Männern in der Rush-Hour des Lebens, also zwischen 25 und 40 Jahren, vermissen für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie Glaubwürdigkeit bei Vorgesetzten. 28 Prozent der Väter und 29 Prozent der kinderlosen Männer haben kein Vertrauen, mit ihrem Arbeitgeber über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sprechen.
Karrierefalle Teilzeit? Das sollte nicht sein!
Entsprechend wenige Väter arbeiten bislang in Teilzeit. Von den Befragten haben bislang nur sieben Prozent solche Möglichkeiten in Anspruch genommen, während von den Müttern 62 Prozent schon einmal in Teilzeit tätig waren. Grund dafür ist die fehlende Attraktivität: Nur zwei von zehn Vätern bewerten aktuelle Teilzeitangebote ihres Arbeitgebers als zufriedenstellend. Auch von zu Hause aus zu arbeiten gelingt bislang nur jedem siebten Vater. Auszeit- und Sonderurlaubsregelungen – Leistungen, die sich jeder dritte Arbeitnehmer mit Kindern wünscht – konnten mit elf Prozent bislang ebenso nur wenige Väter in Anspruch nehmen.
Vier von zehn Vätern in der Rush-Hour – im Vergleich zu den Müttern ein fast doppelt so hoher Anteil – befürchten schlechtere Leistungsbeurteilungen durch Kollegen und Vorgesetzte bei Inanspruchnahme familienfreundlicher Maßnahmen. Darüber hinaus glaubt fast ein Viertel der Väter, mit weniger attraktiven Aufgaben betraut zu werden. Dabei scheinen diese Ängste häufig unbegründet zu sein, denn 79 Prozent der Väter, die bereits familienfreundliche Leistungen in Anspruch genommen haben, würden dies sehr wahrscheinlich wieder tun, stünden sie vor der gleichen Entscheidung.
Was sagt die Politik?
Das ein Umdenken erforderlich ist, sagt auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig: “In vielen Unternehmen herrscht immer noch eine starke Präsenzkultur: Nur wer Vollzeit arbeitet, gilt als Leistungsträger. Wer mehr Zeit mit der Familie verbringen möchte, kann zwar seine Arbeitszeit verringern, dann aber selten in einer Führungsposition. Gerade für Männer spielt das eine große Rolle. Deshalb muss in den Unternehmen, bei den Arbeitgebern ein Umdenken einsetzen dahingehend, dass Mitarbeiter eben nicht als „Minderleister“ gesehen werden, wenn sie ihre Stundenzahl zugunsten ihrer Familie reduzieren.“
Und die Bemühungen um eine familienfreundliche Kultur machen sich sehr positiv für Unternehmen bemerkbar: So sagen 90 Prozent der Väter, die das Thema Vereinbarkeit in ihrem Unternehmen als selbstverständlich erleben, dass sie sehr zufrieden sind mit ihrer Arbeitssituation, 93 Prozent haben eine geringe Wechselbereitschaft und 82 Prozent würden ihr Unternehmen an Freunde und Bekannte weiterempfehlen.
Auf die Ergebnisse von XING und Statista in Sachen Home-Office bin ich bewusst nicht eingegangen. Zumindest wenn das Kind zuhause ist, ist das so genannte „Home-Office“ eine Farce. Das kann jeder belegen, der es bereits einmal versucht hat.
Mehr zum Thema gibt es von dem Experten Joachim Diercks, der uns 10 Fragen rund um das Thema "Familie und Beruf" beantwortet hat: 10 Fragen an Daddy Joachim Diercks.
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