In der Schule lernen Kinder Texte zu lesen, Buchstaben zu schreiben, Aufgaben zu rechnen. Sie lernen, wie man Bälle wirft, Bilder malt, Bäume anhand ihrer Blätter bestimmt. Aber sie lernen auch, dass sie manche Dinge vielleicht nicht so gut können wie die anderen. Dass sie vielleicht nie eine eins in Mathe kriegen werden, egal wie viel sie lernen. Mit solchen Enttäuschungen umzugehen, ist für viele Kinder nicht leicht. Eine Grundschule in Nordirland hat nun versucht, ihren Schülern eine mögliche Enttäuschung ein wenig leichter zu machen - mithilfe eines Briefes.
In Nordirland werden Kinder mit fünf Jahren eingeschult, die Grundschule geht meist bis zur siebten Klasse. Danach steht der Wechsel auf eine weiterführende Schule an. Welche Schule die Elf- oder Zwölfjährigen besuchen dürfen, entscheidet sich durch das sogenannte "Transfer Exam", einer Art Abschlussprüfung am Ende der Grundschulzeit. Für die unterschiedlichen Grammar Schools, vergleichbar mit deutschen Gymnasien, müssen bestimmte Testergebnisse erzielt werden, mit denen sich die Schüler dann an den Schulen bewerben. Ein großer Druck für die Elfjährigen.
Um diesen ein wenig zu mindern, haben die Lehrer der Harmony Hill Primary School in Lisburn den Testergebnissen ihrer Schüler einen Brief beigelegt, der in den sozialen Netzwerken für viel Begeisterung gesorgt hat. "Bevor du den Umschlag mit deinem Ergebnis öffnest, bitten wir dich, zuerst diesen Brief zu lesen. In dem Umschlag findest du eine Punktzahl. Es ist eine Punktzahl, auf die du gewartet hast, aber es ist vielleicht nicht die Zahl, auf die du gehofft hast. Wenn das so ist, dann ist es ganz normal, dass du enttäuscht bist." Mit diesen Sätzen beginnt der ursprünglich von Eltern bei Facebook veröffentlichte Text, der sich auch via Twitter verbreitet.
Die Hauptaussage: Ihr seid mehr als eure Testergebnisse und wir sind stolz auf euch, egal wie ihr abgeschnitten habt. "Gebt nicht zu leicht auf, wenn ihr es mal schwer habt. Werdet zu freundlichen, mitfühlenden, großzügigen, liebenden Erwachsen, die mit ihrem Leben die Welt ein Stück besser machen."
Der Direktor der Schule zeigte sich gegenüber der "BBC" überrascht von der großen Anteilnahme, er und seine Kollegen würden sich sehr über die vielen positiven Kommentare freuen. Der Brief sei eine spontane Idee seiner Stellvertreterin gewesen, von der die anderen Lehrer sofort begeistert waren.
Kinder aus ärmeren Schichten werden benachteiligt
In Nordirland stehen die "Transfer Tests" seit langem in der Kritik. Experten sehen in dieser frühen Einstufung der Kinder - ähnlich wie in Deutschland - einen Grund für die großen Unterschiede zwischen einzelnen Schülern, wie sie die Pisa-Untersuchungen gezeigt haben. Wer mit elf Jahren nicht die geforderte Leistung zeigt - oft sind gerade Kinder aus unteren Schichten die Leidtragenden des Systems - dem wird meist auf längere Sicht der Weg zu einer höheren Bildung verwehrt.
Bemühungen, die Tests abzuschaffen, sind bisher gescheitert. Selbst dort, wo es ein Verbot der Prüfung gibt, schaffen es die Grammar Schools diese Regeln zu umgehen, indem sie eigene Tests einführen.