Bei »M94,5« geben Studenten den Ton an
Tim Aßmann seufzt. Er zieht den Regler seines Mikrophons herunter. 17 Uhr. Feierabend. Nach zwei Stunden im Studio ist er erschöpft. Und ein bisschen unzufrieden: »Meine Stimme klang heute nicht gut«. Der Student ist Moderator bei »M94,5«.
Das Aus- und Fortbildungsradio bereitet junge Hörfunkjournalisten und solche, die es werden wollen, auf das Berufsleben vor. Der Großteil der Mitarbeiter sind Studenten. Empfangen kann man den Sender in München über Antenne und Kabel, oder per Live-Stream übers Internet, 24 Stunden am Tag. Und die wollen gefüllt werden. Hauptsächlich mit Musik.
Für viele ist »M94,5« eine Oase in der privatradiogeschädigten Wüste: Alternativ, ohne Werbung und garantiert kein Formatradio. Verantwortlich dafür sind Studenten wie Christian Rüd. Er ist Mitglied der Musikredaktion, die Woche für Woche »demokratisch« über die Titel im Programm entscheidet. Dabei bestimmen weder Quote noch Plattenfirmen die Auswahl: »Ich hatte schon immer den Traum, Musik, die ich für gut befinde und im Format-Radio vermisst habe, trotzdem im Radio spielen zu können«, erklärt er. Hier bei »M94,5« könne er seinen Traum verwirklichen. Die musikalische Vielfalt von »M94,5« finde man in Deutschland bei fast keinem Sender: »Wir spielen Weltmusik, Reggae, Indie-Pop, Hip-Hop bis hin zu elektronischer Musik.« »M94,5« kann es sich leisten. Als Teil der »AFK Aus- und Fortbildungs GmbH für elektronische Medien«, deren Hauptgesellschafter die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) ist, arbeitet man nicht »gewinnorientiert«.
Materiell gesehen. Statt Geld sammeln die Studenten-Redakteure Erfahrungen. Jeden Tag der Woche ein paar Stunden in der Redaktion, das gehört zum Alltag. Teamarbeit statt Karrierejournalismus. Auch wenn es nicht immer ganz einfach ist. Sebastian Strube kann ein Lied davon singen. Er ist Chef vom Dienst und verantwortlich für den Programmablauf eines Tages in der Woche. »M94,5 ist kein reicher Sender«, sagt er. Neuanschaffungen seien schwierig, Geräte müssten repariert werden und auch die Räume, die von der Universität zur Verfügung gestellt würden, seien oft ein wenig zu klein für die vielen Mitarbeiter.
Dennoch: Der Idealismus der Studenten ist ungebrochen und der Erfolg bei den Hörern motiviert. »Die Arbeit hier gibt dir unheimlich viel«, schwärmt Sebastian. Kein Wunder: Statt Kaffee zu kochen, wie bei manchen anderen Sendern, darf man bei »M94,5« gleich von Anfang an richtig ran. Doch ein offener Kanal ist der Sender nicht. Professionelle Tutoren begleiten die Nachwuchsjournalisten. Vom Nachrichten schreiben bis zur Moderation der eigenen Sendung. »Aber was vielleicht noch wichtiger ist, hier entstehen Freundschaften, die oft weit über die Radiotätigkeit andauern«, fügt Sebastian hinzu. Er sieht auf die Uhr: 18.23 Uhr. Seit elf Stunden ist er auf den Beinen, jetzt ist er müde. Tim fragt, ob er noch mit zum Essen gehen wolle. Sebastian lehnt ab: »Heute nicht.« Tim Aßmann seufzt. (cw)