muenster Opfer der Wissenschaft?

Das psychologische Experiment - es klingt schlimmer als es ist

Das psychologische Experiment - es klingt schlimmer als es ist

Seit Mitte März kann der Kinogänger feststellen, was geschieht, wenn Menschen die Gelegenheit gegeben wird, Macht über andere auszuüben: Auf Anweisung putzt Moritz Bleibtreu mit bloßen Händen eine Toilette. Der Film »Das Experiment« beruht auf wahren Tatsachen: 1971 führte der Sozialpsychologe Philip G. Zimbardo an der Stanford University das Gefängnisexperiment durch. Zahlreiche Diskussionen über Herrschaft und Unterdrückung wurden durch den Streifen entfacht, dem Spiegel war die »Droge Macht« sogar eine Titelstory wert. Aber eines fehlt dennoch: Das Hinterfragen des psychologischen Experimentes an und für sich. Was machen Psychologen eigentlich? Welche Grenzen sind ihnen in Zeiten von Schaf Dolly und Big Brother gesetzt?

Experimente sind sozusagen das täglich Brot des Psychologen. Nur die kontrollierten Bedingungen erlauben Aussagen über Kausalität. Seit geraumer Zeit ist der ethische Aspekt ein zentraler Gesichtspunkt bei experimentellen Vorhaben, weshalb psychologische Fachverbände in aller Welt Kodizes erarbeitet haben, in denen die ethischen Grundsätze der Forschung und Anwendung niedergelegt sind. Wer sich als Versuchsperson zur Verfügung stellt, darf dem Ganzen also ruhig mit Neugier statt mit Angst entgegensehen, zumal jeder Psychologe im Laufe seines Studiums mehr als einmal selbst Versuchskaninchen war - an vielen Universitäten sind absolvierte Versuchspersonenstunden Voraussetzung für die Anmeldung zu Prüfungen. Und so kam auch ich 30 Stunden meines Lebens in den Genuss verschiedenster psychologischer Methoden.

Ich füllte Fragebögen aus. Wurde vor einen Rechner gesetzt, um »ja«- und »nein«-Tasten zu betätigen (wo bleibt meine Erdnuss?). Man konfrontierte mich mit den Abgründen meines Verstandes - »Welches System lag den geometrischen Figuren zu Grunde?« - »Ein System?« - und ließ mich Fragebögen ausfüllen. Aus Legosteinen sollte ich meine Vorstellung von »Freundschaft« konstruieren. Nicht zu vergessen natürlich computergestützte Reaktionszeitexperimente: Klick. Klick. »Sie haben eine Fehlerquote von 30%. Versuchen Sie, korrekter zu antworten«. Nun gut. Klick. Klick. Klick. »Antworten Sie schneller!«. Klick. Klick. Wann darf ich wieder Fragebögen ausfüllen? »Schneller!« Klickklickklick. »Sie haben eine Fehlerquote ...«. Mordgedanken. Mal versuchen verzweifelt nach Versuchspersonen suchende Diplomanden, ihre Zeitgenossen mit etwas Essbarem zur Teilnahme zu motivieren, mal winkt Geld als Belohnung. Es lohnt sich auf jeden Fall, mal am Psychologischen Institut vorbeizuschauen, denn Versuchspersonen - egal welcher Fachrichtung - werden immer gesucht. Und selbst, wenn es keine Schokolade gibt - man erfährt endlich, was hinter der Tür mit der »Bitte nicht eintreten«-Warnung passiert. (dg)

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