Ratgeber Heute nicht, Schatz

Nur heute nicht? Oder schon länger nicht mehr? Was Sie tun können, wenn nervende Kinder und Berufsstress die Lust killen

Nur heute nicht? Oder schon länger nicht mehr? Was Sie tun können, wenn nervende Kinder und Berufsstress die Lust killen

Jana, 28, und Mike, 31, haben ein acht Monate altes Baby. Die Krankenschwester in Elternzeit und der selbstständige Handwerker sind dauermüde und haben das Gefühl, zwischen Arbeit, Baby und Haushalt nicht zum Sex zu kommen. Jana vermisst den nicht wirklich, er schon.

Alle sagen es, und es stimmt: Das geht vorüber. Aber: Die Sexualität einer Frau kann sich nach einer Geburt ändern. Um wieder zueinander zu finden, ist es wichtig, sich neu zu entdecken. Miteinander reden hilft - aber auch, sich mit einer Freundin oder einem Freund auszutauschen. Aufpassen sollte man, wenn das Kind zum Schutzwall wird, man es nur darum über Jahre im Elternbett schlafen lässt, damit Sex nicht stattfindet. Sich alsbald nach der Geburt einen (fernsehfreien!) Abend pro Woche freizuschaufeln, kann dem vorbeugen - auch, wenn dieser Abend anfangs sexlos bleibt.

Annette, 34 und Christian, 33, streiten dauernd. Sie arbeitet seit drei Monaten wieder Teilzeit, managt nebenbei Haushalt und Erziehung von Tochter, 4, und Sohn, 2 - trotz anderer Absprachen. Christian, Pharmavertreter, klagt über seine 60-Stunden-Woche. Im Bett läuft schon lange nichts mehr. Neuerdings schläft sie sowieso im Gästezimmer.

Dünnes Eis! Selbst wenn es den beiden gelänge, ein langes Wochenende allein als Paar zu verbringen, kann das gründlich schief gehen. Zu viel hat sich aufgestaut. Gut tun könnte es eher, getrennt voneinander auszugehen: Beide sollten sich an "freien Abenden" mit Freunden ruhig den Frust von der Seele reden und dann einfach nur an sich denken - das ist die Absicht. Zu Hause hilft es, strikt in "Küchentisch-" und "Bett-Gespräche" zu trennen: Am Tisch werden Probleme gewälzt, wobei jeder sich zwingen sollte, dem anderen zuzuhören, zur Not mit festen Redezeiten. Auf der Couch oder im Bett aber bleiben die Streitthemen tabu. Hier geht es um die schönen Seiten des Lebens. Wenn das klappt, können sich Annette und Christian an ein Liebeswochenende wagen. Wenn nicht, ist dringend ein Besuch bei der Paarberatung angesagt.

Sybille, 43, leidet an ihrer Lustlosigkeit. Der Sex mit ihrem langjährigen Lebensgefährten ist zur Pflichtveranstaltung geworden. Woran liegt das bloß?

Unlust kann ihre Ursache in Unzufriedenheit haben, in nicht ausgetragenen Konflikten. Sybille muss sich fragen, ob noch alles stimmt, sie ihren Freund liebt, die Beziehung deutlich mehr positive als negative Seiten hat. Wenn ja, hat Sybille vielleicht sich selbst vernachlässigt zwischen Arbeit und Alltagsliebe. Anregend kann es sein, sich "mit sich selbst zu verabreden", für zwei Stunden entspannt allein sein: Musik auflegen, baden, parfümieren, die Hand wandern lassen... - oder wie immer man sich so Lust macht, dass einem hinterher nicht kälter ist als vorher. Auch aus Routinen ausbrechen, eigene Wege gehen, hilft: Sybille könnte endlich den Tango-Kurs belegen - ruhig auch ohne ihn.

Annegret, 52, und Richard, 58, sind seit 26 Jahren verheiratet, die beiden Söhne aus dem Haus. Die Ärztin und der Ingenieur nennen ihre Ehe harmonisch, aber sie schlafen kaum noch miteinander. Beide vermissen es, Lust zu haben.

Die beiden brauchen Aufregung! Brauchen statt der Kinder ein neues "drittes Objekt", das nichts mit Erotik zu tun hat. Ein - gemeinsames - Hobby finden: Italienisch lernen und dann nach Italien reisen, eine große Radtour planen und dafür trainieren - zum Beispiel. Gemeinsame, auch körperlich anstrengende Erlebnisse schaffen Glücksgefühle, der Körper schüttet Endorphine aus - gute Voraussetzung für die Rückkehr der Lust.

Martina, 47, hat seit einigen Jahren Wünsche fürs Bett, die sie sich nicht traut, auszusprechen. Sie geniert sich und geht Sex aus dem Weg. Ihr Mann Rolf, 49, denkt, seine Frau sei nach 17 Jahren Ehe lustlos. Er weiß keinen Rat.

Im Bett gilt es immer wieder, die in nahezu jeder Beziehung vorhandene Scham zu überwinden. Scham kann auch erst wachsen. Es braucht Mut, Neues im Bett zu fordern. Aber das nicht zu tun, kann die Beziehung ersticken. Wenn sich das Paar vertraut, wird Rolf Martina nicht als verdorben abweisen, sondern dankbar, wenn nicht hocherfreut ihre Ideen in die Tat umsetzen. Vielleicht ist er überrascht, aber das hat beim Sex noch nie geschadet, oder? Wenn es hilft, übt man eben im Dunkeln.

Imke, 32 und Robert, 33, kamen, als sie sich vor fünf Jahren kennen lernten, kaum vom Futon hoch. Ihre Lust schien unerschöpflich. Heute schlafen die Workaholics zwei-, dreimal im Monat miteinander. Was Robert wundert: Mehr will er gar nicht. Ist das normal?

Jeder zählt, wie oft er es tut. Aber das zählt nicht. Wichtig ist, dass es beiden gefällt - und reicht. Die Leidenschaft zu Beginn einer neuen Liebe ist einzigartig, bestenfalls tritt Vertrauen, Nähe, intensiverer Sex an ihre Stelle. Wenn aber nur einer in der Partnerschaft findet, es geschieht zu selten, ich habe Lust und kann sie nicht stillen, muss - mindestens - geredet werden. Robert sollte Imke fragen, ob sie so zufrieden ist wie er.

Beratung: Traute Bickel und Thomas Klöppel. Die beiden 37-Jährigen betreiben in Hamburg gemeinsam eine Praxis für Paar- sowie tiefenpsychologische Körper-therapie. Sie bieten unter anderem Kurse für werdende Eltern an.