GESCHICHTE Jüdisches Museum wichtiger Lehr- und Lernort

Es soll kein Holocaust-Museum, sondern ein Ort der Begegnung für Jung und Alt, für Juden und Nichtjuden, für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen werden.

Als einen wichtigen »Lehr- und Lernort« für 2.000 Jahre deutsch-jüdische Beziehungen hat Bundespräsident Johannes Rau das Jüdische Museum in Berlin bezeichnet. Das Museum wurde am (heutigen) Sonntag eröffnet. Das Jüdische Museum, das nach Entwürfen des US-Architekten Daniel Libeskind gebaut wurde, soll an die wechselvolle 2000-jährige Geschichte der Juden in Deutschland erinnern. Nach dem ausdrücklichen Willen seiner Erbauer soll es kein Holocaust-Museum sein.

Ort der Begegnung

In der Sonntagsausgabe des »Tagesspiegel« schrieb Rau in einem Beitrag, dass er dem Museum wünscht, dass es zu einem Ort der Begegnung für Jung und Alt, für Juden und Nichtjuden, für Menschen unterschiedlicher Herkunft und aus unterschiedlichen Kulturen wird. Über die zweitausendjährige Geschichte deutsch-jüdischer Beziehungen würden die Menschen immer noch zu wenig wissen.

Gemeinsame deutsch-jüdische Geschichte

Wenn nun die Erinnerung an die Holocaust-Katastrophe wach gehalten wird, dann wird auch der Blick dafür frei, dass der Holocaust nicht die Summe der deutsch-jüdischen Geschichte ist. Dann dürfte noch stärker bewusst werden, »wie schwer der Verlust wiegt, den wir Deutschen uns durch den Holocaust auch selber zugefügt haben«, so Rau. Dafür leistet das Museum einen ganz wichtigen Beitrag.

Prominente Gäste

Zur Eröffnung des für 100 Millionen Mark (51,13 Millionen Euro) gebauten Museums werden in Berlin prominente Gäste aus der ganzen Welt erwartet. Zu den Gästen gehören neben Bundespräsident Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, der Generalsekretär des World Jewish Congress, Israel Singer, der ungarische Staatspräsident Ferenc Madl sowie der frühere amerikanische Außenminister Henry Kissinger. Direktor des von Daniel Libeskind entworfenen Gebäudes ist der frühere amerikanische Finanzminister W. Michael Blumenthal.

Paul Spiegel sieht Museum als »große Chance«

Als eine »große Chance« für die Menschen in Deutschland hat der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, das neue Jüdische Museum in Berlin bezeichnet. »Die Öffentlichkeit verbindet das Judentum oft nur mit dem Holocaust. Das Museum ist eine Chance, den Menschen zu zeigen, was das Judentum in seiner 2000-jährigen Geschichte bis heute wirklich war«, sagte Spiegel im Vorfeld der Eröffnung des Museums dem ZDF in Berlin. Nach Angaben Spiegels leben zur Zeit mehr als 90.000 Juden in der Bundesrepublik.

Keine überzogenen Erwartungen

Allerdings dürfen nach Ansicht Spiegels die Erwartungen an das neue Museum nicht zu hoch sein. »Man darf nach der Eröffnung nicht alles andere zur Seite schieben. Das Museum kann nur ein kleines Mosaiksteinchen sein«, sagte er. Die Gesellschaft hat sich an die steigenden Tendenzen des Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus gewöhnt. »Ich kenne keinen Fleck in Deutschland, wo Minderheiten hingehen und sagen: Hier bin ich sicher«, meinte der Zentralratsvorsitzende. »Es passieren in diesem Lande Dinge, von denen wir glaubten, sie wären vorbei.«

Der Libeskind-Bau

Das Jüdische Museum in Berlin in Form eines geborstenen Davidsterns lässt sofort an den Holocaust denken. Der amerikanische Architekt Daniel Libeskind sieht sein Werk als »Symbol für das schwierige deutsch-jüdische Verhältnis«. In dem bereits 1999 fertig gestellten Gebäude wurde am (heutigen) Sonntag die Dauerausstellung über 2.000 Jahre deutsch-jüdische Geschichte eröffnet. Der 1946 in Lodz geborene Libeskind gilt als »Metaphysiker« unter den Architekten. Sein verwinkelter, düsterer Bau hinterlässt ein Gefühl der Beklemmung. Dennoch entwickelte sich das für 120 Millionen Mark (61,3 Millionen Euro) errichtete Gebäude zum Publikumsmagneten der Hauptstadt.

Überraschender Publikumsmagnet

Rund 350.000 Menschen besuchten in den vergangenen Jahren das leer stehende Haus im Bezirk Kreuzberg. Im Mittelpunkt des Gebäudes stehen die so genannten »Voids« - Leerräume, die sich in voller Höhe durch das Innere ziehen und eine Metapher für den Verlust sein sollen, die der Mord an den Juden in Deutschland und Europa hinterließ. Besucher, so sagte Libeskind einmal, sollten lernen, die Leere zu ertragen. Für Kritiker des Gebäudes eignet sich der schwierige Bau nicht für eine Ausstellung. Auch Forderungen wurden laut, das leere Haus als Mahnmal zu belassen. Mit seinen zinkverkleideten Fassaden und Fenstern, die wie Blitze hineingeschnitten sind, wirkt das Bauwerk wie eine Skulptur. Verwinkelte und verzerrte Gänge wecken die Vorstellung von einem »Labyrinth des Erinnerns«. Die »Achse der Vernichtung« endet in einem dunklen Betonverlies, die »Achse des Exils« führt in den »E.T.A.-Hoffmann-Garten«. Die dritte Achse »Kontinuität« öffnet den Weg in die Ausstellungsräume.