Teil 8 Vorsicht, Sonnenstich

Wovon Europa oft zuwenig hat, davon hat Übersee oft zu viel - von der Sonne. Beispiel Chardonnay, die urfranzösische Rebsorte. Aus unserem Wein der Woche schmeckt man heraus, wie sich die Rebpflanze gegen ein Zuviel an Hitze wehrt.

Australien, Wein 3

Der Typ

Lehrstoff Chardonnay

Was machen wir hier eigentlich, liebe stern- Leser und Weinschüler? Uns einen ansäuseln? Das auch, aber primär wollen wir ja was lernen, nicht wahr? Wir wollen erkennen können, was in einem Wein steckt, was man mit etwas Übung herausschmecken kann.

Dazu sind Weine der Rebsorte Chardonnay bestens geeignet, denn der Umstand, dass Chardonnay weltweit angebaut wird, macht ihn zu einer Art "Eichwein". An ihm lässt sich der geschmackliche Einfluss von Klima und Böden in den diversen Ländern erkennen. Der Chardonnay ist ein Terroir- Anzeiger. Im kühlen Klima fällt er frisch und säurebetont aus, im warmen körperreich und kraftvoll. Im heißen Klima kann er sogar ölig, richtig dick und fett geraten, vorausgesetzt, es ist nicht zu heiß - dann kann ein Effekt eintreten, wie wir ihn im Wein dieser Woche vorfinden.

Unser Leer- und Lehrstoff stammt diesmal vom Weingut Gemtree Vineyards im McLaren Vale. Die Winzer betonen, ihr Tadpole sei "unoaked", also weder in Holzfässern gelagert noch mit Eichenchips aromatisiert. Warum die Betonung? In den 90er Jahren überboten sich Australiens Winzer gegenseitig darin, wer den am stärksten mit Eichenholz gewürzten Chardonnay macht. Dieser bizarre Wettbewerb ist vorbei, kaum jemand mag solche Holzbomben noch trinken. Scheint also, als entsprächen die Winzer der aktuellen Nachfrage nach fruchtig frischen Weinen. Das tun sie, aber aus gutem Grund: Holz hätte diesem Chardonnay nämlich wenig genützt, denn nur solche Weine können die Gerbstoffe und Aromen der Eiche integrieren, die genügend Gehalt und Intensität haben.

Unser Tadpole hat das nicht, was am Jahrgang liegt. Wird es nämlich zu heiß - wie eben 2007 in Australien - fahren die Reben zum Überleben ihren Stoffwechsel zurück. Sie bilden zwar Zucker, aber die Aromareife bleibt zurück. Genau das schmeckt man hier: In der Nase spüren wir Anklänge von grünen Aromen, Gras und Kiwi, kaum Banane, Melone und Ananas, die sonst bei Chardonnay australientypisch sind.

Am Gaumen wirkt der Tadpole recht breit, und er endet mit leichter Bitterkeit. Mit seinen 13 Prozent Alkohol ist er für australische Verhältnisse fast schon ein Leichtgewicht. Das macht ihn zu keinem schlechten Wein. Für Studienzwecke ist er sogar ideal. Wir lernen nämlich, dass Sonne nicht per se gut ist: Der Klimawandel mit noch mehr Hitze kann in ohnehin heißen Ländern dazu führen, dass die volle Reife nicht erreicht wird. Der australische Weinbau geht schwierigen Zeiten entgegen.

Der Wein

2007 Chardonnay Tadpole, Gemtree Vineyards, Australien

Stil:

Weißwein der Sorte Chardonnay

Farbe:

helles Strohgelb

Duft:

Apfel, Kiwi, grüne Akzente

Geschmack:

kernig, Kräuter und Melone, leichte Bitterkeit

Herkunft:

McLaren, Vale

Trinktemperatur:

8 bis 10 Grad

Glas:

Weißweinkelch

Trinkzeitpunkt:

jetzt

Das Land

Fakten Australien

Weinbau:

seit 1788

Rebfläche:

rund 160 000 Hektar (Rang 8 weltweit)

Weinbau:

vom 25. (Brisbane) bis 43. (Tasmanien) Breitengrad

Bekannteste Weinbauregionen:

Barossa Valley, Coonawarra

Häufigste Rebsorten: Weiß -

Chardonnay, Sémillon, Riesling (40 %). Rot: Shiraz, Cabernet, Merlot (60 %)

Wichtigste Exportmärkte:

Großbritannien, USA, Kanada, Skandinavien, Deutschland (Exportanteil rund 50 %)

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Fabian und Cornelius Lange