Ich muss ehrlich zu Ihnen sein: Mit Tequila können Sie mich jagen. Das liegt daran, dass ich in der Jugend sehr schlechte Erfahrungen mit der Spirituose gemacht habe. Mit der Flasche mit dem Hut. Der Schnaps, der den Massenmarkt in Deutschland überschwemmt hat und der vermutlich verantwortlich dafür ist, dass es vielen Deutschen den Magen umdreht, wenn sie an den Agavenschnaps denken. Dabei kann Tequila auch ganz anders.
Zwei Kreative haben sich vorgenommen, eine Spirituose auf den Markt zu bringen, die es so noch nicht gab: "Luneoir", einen Tequila, der mit ausgewählten Bränden und Geisten aus Deutschland veredelt ist. Der Berliner Mixologe Arnd Heißen arbeitete gerade an der Bar im "Bootshaus" in Hamburg als er den studierten Betriebswirt Julius Bucher traf und ihn mit "Tequila abfüllte", wie er selbst erzählt. Die Entscheidung für einen Tequila fiel schnell, weil Heißen als ausgewiesener Mexiko-Kenner bereits viel und gerne mit der Spirituose in seiner Bar gearbeitet hatte. Auch, weil beide das Potenzial und die Marktlücke in Tequila sahen. Schließlich gehört Deutschland nach den USA und Mexiko zu den größten Abnahmeländern der Spirituose. Und trotzdem ist sie nicht so beliebt wie Gin oder Wodka. Hochwertiger Tequila, also eine Spirituose aus 100 Prozent Agavensaft, ist für die meisten noch Neuland. Im Vergleich: herkömmlicher Tequila, den es im Supermarkt gibt, weist oft nur etwa 60 Prozent Agave auf, meist wird nicht nur der Saft fermentiert, sondern auch übrig gebliebene Agaven-Fasern. Der Rest wird über Zuckerrohrsaft gedeckt.
Reiner Tequila war den Erfindern zu wenig

Um echten Tequila herzustellen, werden zuerst die Agaven geerntet und dann deren Herzen in speziellen Ziegelöfen gebacken. Anschließend werden sie in einer Walzenmühle mechanisch zerkleinert. Der daraus entstehende Saft wird zur Fermentation in Stahltanks gefüllt. Um die Gärung richtig anzustoßen, verwenden Heißen und Bucher Champagnerhefe, auch um der Spirituose seine feine Note zu verleihen. Bucher und Heißen war ein reiner Tequila zu wenig. Sie wollten eine Premium-Spirituose entwickeln, die komplexer ist und die mit nur einer weiteren Zutat zum perfekten Drink werden kann. Verbraucherfreundlich also. Sieben Brände und Geiste haben ihren Weg in den selektierten Tequila gefunden, der laut dem Lebensmittelgesetz jetzt nicht mehr Tequila heißen darf.
Agavenschnaps an sich weist ein weit komplexeres Aromenprofil auf als beispielsweise Whisky. Nur zum Vergleich: Tequila kann bis zu 600 verschiedene Aromakomponenten haben, Whisky nur etwa 200. Heißen und Bucher haben sich beim Tequila vor allem für ein Profil mit Zitrusnoten entschieden und ihn dann mit Bränden und Geisten wie Bergamotte, Zitronengras, Vanille, Yuzu, Mandarine, Pfeffer und Ingwer geblendet. Der Prozess dauerte länger als sie antizipierten. "Ich war optimistisch, dass wir den Blend in vier Monaten auf die Straße bringen könnten", sagt Julius Bucher im Gespräch mit dem stern. "Wir brauchten dann aber doch zwei Jahre." Grund dafür war nicht nur der Zeitpunkt – die Idee entstand während des ersten Lockdowns – sondern auch an dem Idealismus, den die beiden leben. Mehr als 100 verschiedene Tequila-Profile haben die beiden verkostet, mit unzähligen Kombinationen experimentiert und lange Gespräche mit Produzenten geführt. Am Ende fiel die Wahl auf einen Tequila aus Altos de Jalisco, dem Geburtsort des mexikanischen Nationalgetränks, der zu 100 Prozent aus der Agave Azul Tequilana Weber hergestellt wird.
Jetzt gibt es 3600 Flaschen, die den Jahrgang 2021 tragen. Mit ihrem Produkt "Luneoir" wollen sie den Spirituosenmarkt aufmischen. Der Name ist angelehnt an "lune noir", der schwarze Mond. Bei diesem Phänomen steht der Mond tagsüber am Himmel und ist in der Nacht nicht zu sehen. In der Astrologie gilt der schwarze Mond als Synonym dafür, dass es sich lohnt, einen Schritt zurückzutreten. Die Phase steht für einen guten Zeitpunkt, sich von unnötigem Ballast zu befreien und sorglos und euphorisch dem Leben entgegen zu treten. Als Heißen und Bucher die Idee für den Tequila-Blend hatten, stand der Mond gerade in dieser Phase. Sie werteten es als gutes Zeichen.
Schmeckt sogar Skeptikern
Der Tequila wird in Mexiko in einer Kupferblase destilliert und dann nach Deutschland verschifft, hier wird er dann geblendet und in Flaschen gefüllt. Knapp 50 Euro muss man für 0,5 Liter abdrücken, der Schnaps liegt damit im Premiumbereich.
Und wie schmeckt "Luneoir" jetzt? Meine Abneigung gegenüber Tequila habe ich mit dieser Spirituose verloren. Durch die Beigabe der Geiste und Brände verliert der Agavenschnaps seine Spritigkeit und wartet mit komplexen Aromen bereits in der Nase auf. Gemixt mit einer Grapefruitlimonade beispielsweise von Aqua Monaco oder Thomas Henry erhält man einen Drink, der keine weiteren Zutaten wie Liköre benötigt. Genau das, was die Erfinder erreichen wollten: eine komplexe Spirituose, die einfach in der Handhabung ist. Cheers!