40 Jahre Menschlichkeit "Der Krieg raubte mir den Schlaf"

Am 8. Januar feiert der Kinderhilfsverein Terre des Hommes 40-jähriges Bestehen. Gründer Lutz Beisel spricht über die Entstehung der Idee und die Pionierzeit. Das Elend in dieser Welt hat ihn dazu bewegt, die Organisation ins Leben zu rufen.

Herr Beisel, was gab Ihnen den Anstoß zur Gründung von Terre des Hommes (TdH)?
In der zweiten Hälfte der Sechziger berichteten die Medien täglich über den Krieg in Vietnam. Nur durch den Frankfurter Stadtwald von meiner Wohnung getrennt, starteten pausenlos Flugzeuge, die diesen Krieg mit Material und Soldaten versorgten. In dieser Situation war ich sehr dünnhäutig geworden, und die Schilderungen begannen mir den Schlaf zu rauben. Da stieß ich auf einen kurzen Bericht über einen kleinen Freundeskreis in der französischen Schweiz, der sich nach einem Buch von Saint-Exupéry Terre des Hommes nannte. Dieser kümmerte sich mit einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln um Kinder, die irgendwo in der Welt in eine aussichtslose Situation gekommen waren. Ohne zu zögern nahm ich mit diesen Leuten Kontakt auf. Die Gründungsversammlung des Vereins Terre des Hommes, wie wir ihn heute kennen, fand schließlich am 8. Januar 1967 in Stuttgart statt. Mit 40 Gründungsmitgliedern konnte die Arbeit gleich mit drei lokalen Gruppen - Stuttgart, Frankfurt und Hamburg - beginnen. Konkret ging es als erstes um die Suche nach kostenlosen Krankenhausplätzen und Ärzten für kriegsverletzte und kranke Kinder aus Vietnam.

Wie gut funktionierte in dieser Pionierzeit die Zusammenarbeit mit der Politik?
Anfangs brauchten wir "die Politik" nur auf der Ebene der Städte, Regierungsbezirke oder bestenfalls der Bundesländer, wenn es um die Finanzierung oder Befürwortung von Krankenhausaufenthalten und dergleichen ging. Später brauchten wir gelegentliche Hilfe der Fachministerien bei Schwierigkeiten mit dem Transfer von Menschen und Gütern in unsere Projektländer. Später beteiligte sich "die Politik" gelegentlich auch anteilig finanziell an größeren Auslandsprojekten. Aber nie in entscheidendem Ausmaß. TdH erwartet von der Politik nichts, außer, dass sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Stichwort Menschen im Mittelpunkt: Welche persönlichen Schicksale verbinden Sie mit TdH?
Die Art, wie die Arbeit entstanden ist, und die Geschwindigkeit, mit der sie sich - Gott sei dank - ausgebreitet hat, führte zu einer unübersehbaren Fülle menschlicher Begegnungen. Dabei sind zahllose kurze, länger währende, aber auch dauerhafte Schicksalsverknüpfungen entstanden: freundschaftliche und problematische, beglückende und belastende. Ich sehe mich in einem Interview außerstande, einzelne herauszuheben.

(dh)