Eigentlich wollten wir zwei Kolleginnen uns nach drei Wochen Urlaub nur kurz zurückmelden, um von der anderen zu hören, wie ihr Sommer war. Eine von uns jammert: Das war’s jetzt schon wieder mit der Wärme, dem Licht, der Unbeschwertheit! Die andere findet: Der Sommer-Blues wird überschätzt.
Helen: Ich hab Woll-Socken an! Im September!
Cathrin: Draußen scheint aber trotzdem die Sonne, heute werden es 19 Grad in Hamburg, bei blauem Himmel. Also, stell dich nicht so an!
Helen: Ich wollte noch mit meinem Neunjährigen vom Zehner springen, jetzt hat das Freibad zu. Ich wollte noch bis spätabends im Park sitzen und danach in Shorts nach Hause radeln. Alles, alles vorbei. Für mindestens acht Monate. Horror.
Cathrin: Aber als Hamburgerin lächelst du das doch frisch weg. Ich weigere mich einfach zu akzeptieren, dass der Sommer vorbei ist. Ich trage bis zum 3. Oktober weder lange Hosen noch Socken. Das ist mein Sommer-Blues-Hack.
Ein Sommer, zwei Meinungen
Helen: Was hat der Tag der Deutschen Einheit damit zu tun?
Cathrin: Tag der deutschen Wetter-Wende! Im Ernst: Vor einigen Jahren war es am 3. Oktober noch so warm, dass ich in die Nordsee springen konnte. Das fand ich beeindruckend, das Datum ist seitdem geblieben.
Helen: Wusste gar nicht, dass du so ein harter Kneipp-Bad-Typ bist.
Cathrin: Kälte ist gut für die Durchblutung. Wer mich heute sähe, würde denken: Sie trägt unten Sommer und oben Winter – Shorts und Lopapeysa-Pulli. Die Wolle kommt von isländischen Schafen, sie ist so rau und grob, dass weder Wind noch Wasser durchdringen. Sozusagen das Goretex unter den Wollsorten.
Eichhörnchen rasen herum wie Prepper kurz vorm Atomkrieg
Helen: Aber es geht doch nicht um Körpertemperatur! Schau dich um, alles stirbt. Die Blätter fallen, die Eichhörnchen im Innenhof turnen nicht mehr ausgelassen, sondern rasen herum wie Prepper kurz vorm Atomkrieg. Da überwältigt mich großes Bedauern über alles, was ich nicht gemacht habe, als es noch leicht gewesen wäre.
Cathrin: Ach Gottchen, jetzt wird sie poetisch. Der Sommer ist doch nicht vorbei! Er endet am 23. September und oft erleben wir dann einen goldenen Oktober. Die klar voneinander getrennten vier Jahreszeiten sind eh Vergangenheit, sechs Wochen Sommerferien-Hitze und weiße Weihnachten, wie wir das aus der Kindheit kennen, davon musst du dich verabschieden.
Helen: So alt sind wir gar nicht.
Cathrin: Zumindest sehen wir nicht so aus! Alles fließt, meine Liebe. Der Sommer ghostet uns nicht, sondern schickt Grüße bis weit in den Herbst. Das ist doch viel gesünder und auch besser fürs Gemüt.
Helen: Dieser Abschied vom Sommer macht dich also wirklich überhaupt nicht wehmütig?
Cathrin: Ich mag die Übergänge im Leben. Und die Sonnenuntergänge im Spätsommer sind sowieso die intensivsten und schönsten.
Helen: Ich soll also loslassen.
Cathrin: Genau. Klar, auch mir fehlt die Spontanität, abends noch mal rauszugehen. Auch für mich gehören Würstchen draußen auf den Grill und nicht in die Pfanne in der Küche. Aber ich konserviere die schönen Sommermomente wie Pflaumenkompott. Ich habe jeden Sonnenstrahl aufgesogen, war mittags immer draußen und sowieso so viel wie möglich unter freiem Himmel unterwegs. Frei nach den alten Römern: Pflücke den Sommertag!
Helen: Erst mal will ich auch so einen Goretex-Schaf-Pulli.
Cathrin: Kriegst du vom Nikolaus.