Es kann sich manchmal richtig anfühlen, irgendwo falsch zu sein. Als ich dieser Tage durch München joggte (ich war auf Unterhaltungs-Montage im innerdeutschen Ausland), kreuzte meine Laufstrecke wiederholt den dortigen Marathonkurs. So kam es, dass ich addiert rund 300 Meter im Pulk der Marathoniken mitrannte und mir unterstützenden Jubel von den Menschen am Rande abholte, bevor ich wieder abbog und abseits des Pulks an der Isar entlanglief. Als Öffentlichkeitsarbeiter nehme ich natürlich jeden Applaus mit, selbst diesen Jubel-Beifang, klar. Den Rest der Strecke war ich ganz bei mir selbst und mit den drei sehr lustigen, herzlichen Jungs von Baywatch Berlin als Podcast auf dem Ohr.
Was macht mich eigentlich glücklich in Zeiten wie diesen? Oder stapeln wir tiefer: Was sind die Momente von Ruhe und Zufriedenheit, die ab und an aus diesen Zuständen herausragen?
So ein Lauf ohne Hast an der Isar zählt gewiss dazu. Es kann auch ein Sonntagmorgen sein, im Bademantel und mit der Zeitung. Zumindest den Teilen der Zeitung, die mich nicht wie einen stubenunreinen Hund direkt mit dem Kopf in den nachrichtlichen Kackhaufen drücken. Wir nahmen immer an, die Unglücke stünden artig Schlange. Doch sie drängeln sich wie ungeduldige Pendler in die U-Bahn unseres Bewusstseins. Alle gleichzeitig. Zäh, ineinanderfließend. Eine Emulsion aus Elend.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Was lenkt mich ab?
Die eine Stunde pro Woche, in der mein Kumpel Peter mir Gitarrespielen beibringt. Mein stümperhaftes Geklimper, das für meine Ohren wie Musik klingt.
Den täglichen Wahn- und den Irrsinn mit meiner Frau zu besprechen. Diese Schatztruhe voller Insidergags, die wir täglich mit neuen Dingen auffüllen.
Im Park unweit meines Hauses in einem robusten Holzsessel sitzen und wegdösen, während auf dem Ohr die Bundesliga-Konferenz läuft.
Die Eltern besuchen, sich gegenseitig veräppeln und alte Fotos ansehen.
Mit der auch schon gar nicht mehr soooo kleinen Tochter im Sessel kuscheln und Rituale pflegen. "Papi, hast du Frauke schon geguckt?"
Draußen vor meiner Stammkneipe sitzen, Dusko bringt Helles und Oliven an den Tisch.
Habe ich mit dem einen Buch von Joachim Meyerhoff aufgehört, fange ich halt wieder mit einem an, das ich schon mal gelesen habe.
Seid höflich, seid freundlich und gebt Trinkgeld
Im Radio läuft "Try, Try, Try" von den Smashing Pumpkins. 2000 war ein gutes Jahr. MTV hat noch Videos gespielt, und die Türme des World Trade Center ragten noch in den Himmel. Bevor 2001 das Ende der Unschuld begann.
"Try, Try, Try" und der Gedanke: Wieso sind Menschen in Massen oft so schrecklich, wenn sie im Einzelnen doch oft so angenehm sind? Mit Ausnahme des Marathons vielleicht. Ist doch erstaunlich, dass an einem Sonntag so viele Menschen zusammenkommen, um Wildfremden dabei zuzuschauen, wie sie sich abmühen, um sich selbst etwas zu beweisen. Wie sie sie unterstützen und beklatschen. Als einzelner Teil eines sich gegenseitig positiv bestätigenden Gefüges.
Vielleicht ist das der Schlüssel: Wir werden die Welt im Großen vermutlich nicht retten, aber im Kleinen können wir sie täglich schöner machen.
Seid höflich, sagt Bitte und Danke. Seid freundlich, sagt Guten Tag und Tschüs. Und gebt Trinkgeld.
Allen ein schönes Wochenende.