Sind Evangelikale fundamentalistische Christen?
Mit Fundamentalisten habe ich dann meine Probleme, wenn sie meine andere Art von Frömmigkeit nicht zu akzeptieren bereit sind. Die gibt’s Gott sei Dank in unserer Kirche wenig.
Sie meinen den Absolutheitsanspruch mancher Evangelikaler, dass es außer ihrem Glauben keinen anderen wahren Glauben geben kann.
Wenn jemand grundsätzlich andere Frömmigkeitsrichtungen nicht akzeptieren kann, dem würde ich dann sagen, dass er in manchen Freikirchen vielleicht wirklich besser aufgehoben ist - dort, wo Menschen gleicher Frömmigkeitspraxis unter sich sind. Grundsätzlich haben wir ein gutes Verhältnis zu den Evangelikalen, zu all denen, die sagen, es kann auch andere Frömmigkeitsrichtungen geben. Sie sind voll akzeptierte Mitglieder unserer Kirche. Fundamentalisten haben es dadurch doch bei uns recht schwer.
Glauben sie, dass durch den islamistischen Terrorismus, Bewegungen wie die Evangelikalen auch in Deutschland verstärkt Zulauf erhalten.
Das habe ich nicht bemerkt. Wir haben ja da auch als Rat der EKD deutlich Stellung zum Islamismus bezogen. Wir waren vielleicht früher gegenüber dem Islam etwas zu blauäugig. Ich glaube, dass es allenfalls für einzelne der Grund ist, sich auf die andere Seite zu schlagen.
Wie bewerten sie den Einfluss der Evangelikalen in den USA, wo diese Präsident Bush zum Wahlsieg verhalfen. Darf die Religion so stark die Politik beeinflussen?
Uns als EKD ist es ganz wichtig, dass wir unsere Verantwortung in der Politik und der Gesellschaft wahrnehmen, aber immer unter der Voraussetzung der Zwei-Reiche-Lehre. Wir können und wir sollen Kriterien aus der Bibel für die Politik bereitstellen. Aber wir sollen letztlich nicht in die Politik reinregieren, genauso wenig wie der Staat in die Kirche reinregieren darf. Die Frage ist, in welcher Art und Weise das geschieht: Wenn man sagt, der Liebe Gott will, dass wir im Irak einmarschieren, dann denke ich: "Wer, um Himmelswillen, kann das wissen?" Das steht weder in der Bibel, noch habe ich das Recht, das zu sagen. Da unterscheidet sich dann die Einflussnahme. Solange jemand als Staatsbürger sagt, ich gebe eine Wahlempfehlung, dann kann das jeder machen. Als Kirche geht das unter keinen Umständen.
Konservative Evangelikale lehnen die Evolutionstheorie zugunsten der Schöpfungslehre ab – in den USA inzwischen ein weit verbreitetes Dogma. Auch in Deutschland kommt es darüber in jüngster Zeit zu Diskussion.
Es gibt eine Debatte, aber ich sehe auch da nicht, dass das ein heißes Eisen ist. Ich nehme den Schöpfungsbericht auch als Wahrheit, aber dies bedeutet nicht, dass da irgendetwas gegen die wissenschaftliche Erkenntnis spricht. Das ist der Versuch, deutlich zu machen, dass Gott der Schöpfer der Welt ist.

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In den USA nahe Cincinnati hat neulich sogar ein „Creation Museum“ eröffnet, in dem die Erschaffung der Welt in sechs Tagen als ein wissenschaftliches Faktum dargestellt wird.
Für mein Gefühl wird die Bibel da missbraucht. Gott hat uns den Verstand gegeben, ich sollte ihn gebrauchen und da werden ja die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die mit dem menschlichen Verstand erarbeitet wurden, missachtet. Kann das der Wille Gottes sein?
Die Pfingstbewegung findet unter der lateinamerikanischen Bevölkerung der USA und auch in Afrika immer mehr Zuspruch. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Weltweit ist das ja die am stärksten anwachsende christliche Konfession in Afrika, Asien und Südamerika. In Deutschland allerdings unterscheiden sich die Evangelikalen von den Charismatikern (d. Red: Pfingstbewegung), weil die Evangelikalen sehr stark dogmatisch denken. Die Charismatiker haben aber eine kaum klar fixierte Lehre, sie sind eben charismatisch – vom Geist – erfüllt, dadurch können sie Menschen, insbesondere die arm sind, sehr begeistern. Es gibt aber wenige bis gar keine soziale Arbeit, deshalb ist die Frage, wie lange sich so etwas hält.
Wie glauben Sie, wird sich die Evangelikale Bewegung in Zukunft entwickeln?
Ich glaube, dass viele Menschen ansprechbar sind für evangelikale Aussagen, weil die Welt scheinbar doch immer undurchsichtiger wird, und die Menschen sich dann an irgendetwas festhalten wollen. Ich glaube, dass wir in Deutschland auf einem guten Weg sind, das einzubinden in unsere Kirche und diese Menschen ernst zu nehmen mit ihren Sorgen und Nöten. Ich würde nie zu einem Evangelikalen sagen, das stimmt nicht, was du glaubst, sondern erst akzeptieren, dass das seine Glaubenshaltung ist. Dann würde ich ihm erzählen, wie ich mit diesem Problem umgehe. Wir müssen also im Gespräch, wenn nötig auch im streitigen Gespräch. bleiben. Ich glaube aber, dass es eine wirklich kämpferische Auseinandersetzung es bei uns nicht geben wird.