Aus der Öffentlichkeit hatte sich Gérard Depardieu lange verabschiedet – zumindest vorerst. Nun ist er zurück. Für Frankreich war es ein historischer, für Depardieu vermutlich ein weniger erfreulicher Termin: eine Anhörung vor dem Strafgericht, dem Tribunal de Paris, Saal 213.
Seit Jahren melden sich immer mehr Frauen, die behaupten, von der Schauspielikone sexuell belästigt und bedrängt worden zu sein. In der französischen Filmbranche war das nichts Neues. Doch die schützte mutmaßliche Täter wie Depardieu lange durch ihr öffentliches Schweigen. Doch damit soll jetzt Schluss sein: Erstmals werden die Vorwürfe vor Gericht verhandelt.
Geklagt hatten zwei Frauen, eine Bühnenbildnerin und eine Regieassistentin. Sie beschuldigen Depardieu, sie während der Dreharbeiten zu dem Film "Les volets verts" (Die grünen Fensterläden) von Regisseur Jean Becker obszön angemacht und begrapscht zu haben. Die Bühnenbildnerin habe Depardieu demnach brutal gepackt, mit seinen Beinen in ihrem Schritt an die Wand gedrückt und unsittlich berührt, bis seine Bodyguards ihn von ihr wegzogen. Die Regieassistentin soll der Schauspieler während der Dreharbeiten immer wieder gegen ihren Willen an Brust und Po gefasst haben. 2021 sollen sich die Vorfälle in einer Pariser Wohnung zugetragen haben. Öffentlich wurden sie erst drei Jahre später durch einen Zeitungsbericht.
Der Prozessbeginn war für Oktober 2024 geplant, musste wegen Depardieus desolatem Gesundheitszustand – kurzfristige Bypass-OP und langjähriger Diabetes – aber verschoben werden.
Fünf Monate später erscheint der Star nun am Montag vor Gericht: mit rosiger Gesichtsfarbe, aber auch immer wieder mit einer verzerrten Grimasse, als ob ihm das Gehen Schmerzen bereite.
Sollten die Strafrichter Depardieu für schuldig befinden, drohen dem Schauspieler eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren sowie ein Bußgeld von 75.000 Euro. Doch danach sah es am ersten Prozesstag kaum aus. Die drei wichtigsten Erkenntnisse:
Die Klage gegen Gérard Depardieu war kaum Thema
War Depardieu bei dem Filmdreh 2021 sexuell übergriffig oder war er es nicht? Diese Frage soll das Strafgericht an zwei Verhandlungstagen erörtern, aber die Verteidigung schaffte es, dass das Thema beinahe vollständig aus dem Fokus geriet. Depardieus Anwalt ist Jérémie Assous. Der 48-jährige Jurist ist bekannt für seine provokante und direkte Art und hatte so bereits im Oktober 2024 erreicht, dass der Prozess verschoben wurde und die Prozesstage nun nicht länger als sechs Stunden dauern dürfen.

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Würden Prozesse allein durch die Länge der Redeanteile gewonnen, Depardieu wäre der Sieger des Tages. Die sechsstündige Verhandlung hätte kaum jemand besser nutzen können: Assous stellte zunächst die Glaubwürdigkeit der Klägerinnen und der geladenen Zeugen sowie die Ermittlungen der Polizei in Frage. Anschließend kritisierte er die Presse für ihre aufmerksamkeitsheischende Berichterstattung in dem Fall, bevor er die Justiz beschuldigte, sich mit Klägern, Polizei und Presse für ein Komplott gegen Depardieu verbündet zu haben. Dafür brauchte der Anwalt eine Stunde und 46 Minuten.
Die Klägerseite wusste auf die Anschuldigungen nicht mehr viel zu sagen. "Anwalt Assous hat die ganze Zeit nur belangloses Gerede von sich gegeben, damit die harten Fakten hier nicht zur Sprache kommen", kommentierte der Staatsanwalt. Die Ermittlungen seien sachgerecht abgelaufen, alle nötigen Zeugen befragt worden.
Jede Provokation hat ein Ende
Selbstredend, dass der provokante Verteidiger die Reaktion der Staatsanwaltschaft nicht einfach so stehen ließ. Er beantragte wegen Formfehlern eine Annullierung des Prozesses. Als das nicht fruchtete, brachte Depardieus Anwalt kurzfristig einen 300-seitigen Aktenberg vor, der gesichtet werden sollte. Zu dem Zeitpunkt dauerte der Prozess bereits fünf Stunden. Die Nebenklage warf Assous vor, den Prozess verzögern zu wollen.
Assous wurde nicht müde zu betonen, dass sämtliche Anschuldigungen gelogen seien. "Die Wahrheit ist auf unserer Seite." In der Wohnung, in der sich die sexuellen Übergriffe zugetragen haben sollen, habe es keine Kameras gegeben, die die Vorfälle dokumentieren würden – für die Verteidigung der Beweis dafür, dass Depardieu unschuldig ist. Dass die fehlenden Aufnahmen am Ende gar nichts beweisen – weder Schuld noch Unschuld – wurde im Gerichtssaal nicht weiter ausgeführt.
Die französischen Frauen brauchen einen langen Atem
Dass französische Richter nun erstmals in einem hochkarätigen französischen #metoo-Fall entscheiden sollen, macht den Kampf um weibliche Selbstbestimmung und gegen sexuellen Missbrauch nicht einfacher. Auch das hat der erste Prozesstag in Paris gezeigt. Zwar scheint die Öffentlichkeit die Klägerinnen zu unterstützen. Doch im Gerichtssaal spielte das an diesem ersten Tage keine Rolle. Es ging um Prozessfragen, um Formalitäten, denen sich Anwalt Assous so ausführlich widmete, dass für kaum mehr Zeit blieb.
Am Dienstag werden die Zeugen aussagen – dann beginnt der große Auftritt der Gegenseite.