Herr Weselsky, bekommen Sie die Wut, die Ihre Streiks bei den Menschen im Land auslösen, überhaupt mit?
Meistens sind die Leute zwar verärgert, aber können ihre Gefühle immer noch beherrschen. Sie reagieren nie über. Die veröffentlichte Meinung ist nicht immer die öffentliche Meinung. Die angebliche Wut transportieren oft die Journalisten.
Mit dem neuen Angebot der Bahn, die Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden zu verkürzen, kommt man Ihnen entgegen. Bisher haben Sie sich darauf berufen, dass genau das der Knackpunkt sei. Warum kehren Sie dann nicht an den Verhandlungstisch zurück?
Man kommt uns wenige Millimeter entgegnen. Wir lesen das Angebot nicht wie andere, sondern wie Tarifler. Wir sehen, dass man die 37 Wochenstunden zwar anbietet, aber gleichermaßen einschränkt: Nämlich dann, wenn nicht genügend Personal da ist. So verhandeln wir nicht. Außerdem enthält das Angebot eine ganze Reihe von Gegenforderungen, die das derzeitige Tarifsystem verschlechtern, weil sie die Menschen flexibilisieren. Das kann man machen, aber das führt nicht dazu, dass die GDL unbedingt in Verhandlungen eintritt.
Aber es ist doch durchaus logisch, dass man sagt: Für Arbeitszeitverkürzungen brauchen wir mehr Leute – und die gibt es leider gerade nicht.
Seit zwei Jahren füllen wir die Ausbildungsklassen nicht mehr. Es gibt nicht genügend Interessenten, die überhaupt in das Eisenbahnsystem eintreten wollen. Deshalb fragten wir uns: Was muss man tun, um wieder junge Menschen ins Schichtsystem zu bekommen? Die 35-Stunden-Woche ist unsere Antwort darauf. Wir haben ja schon seit zehn Jahren einen strukturellen Mangel. Es war nie genügend Personal da.