Bevölkerung Geburten-Hoch und mehr dritte Kinder: Sind das die Corona-Babys?

Ein Baby gähnt auf dem Schoß seiner Mutter. In Deutschland gab es im zweiten Corona-Jahr ein Geburten-Hoch
Im Jahr 2021 kamen in Deutschland rund 795.500 Kinder zur Welt
© Westend61 / Imago Images
Im Jahr 2021 stieg in Deutschland die Zahl der Geburten. Auch eine Zunahme von dritten Kindern ist zu beobachten. Das wirft die Frage nach den vielzitierten Corona-Babys auf. 

Deutschland erlebt ein Geburten-Hoch: 2021 wurden den Standesämtern in Deutschland rund 795.500 neu geborene Kinder gemeldet. Das war die höchste Geburtenzahl seit 1997, als in einem Jahr 812.173 Kinder zur Welt kamen. 2021 stieg die Geburtenzahl laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2020 um zwei Prozent. Da drängt sich die Frage auf: Sind das die Corona-Babys, von denen immer wieder die Rede war? 

Zu den Gründen könne man noch nichts Genaues sagen, heißt es auf Nachfrage des stern beim Statistischen Bundesamt. Dafür brauche es die endgültigen Daten sowie Studien. "Wahrscheinlich spielt die Pandemie aber eine gewisse Rolle", sagt Olga Poetzsch, zuständig beim Bundesamt für Demografische Analysen und Modellrechnungen und natürliche Bevölkerungsbewegungen. Im Februar und März 2021 gab es einen ungewöhnlichen Anstieg bei den Geburten, auch im Oktober und November gab es deutlich mehr Geburten als im Durchschnitt der drei vorherigen Jahre. Von Mai bis Juli 2021 lag die Geburtenzahl dagegen leicht darunter.

Die Deutsche Presse-Agentur zitiert Martin Bujard, Forschungsdirektor beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, der hier einen Corona-Effekt am Werk sieht: Die zwei Geburtenwellen fallen zusammen mit neun Monaten nach dem Ende des ersten und des zweiten Lockdowns. Außerdem gebe es "einen kleinen Cocooning-Effekt", glaubt Bujard: Paare hätten viel Zeit miteinander verbracht, die Bedeutung der Familie sei in den Lockdowns gewachsen. Von einem "Corona-Babyboom" will er aber nicht sprechen, dafür sei der Anstieg zu gering. Auch Olga Poetzsch spricht bei zwei Prozent von "normalen jährlichen Schwankungen". 

Geburt: Viele Familien bekommen ein drittes Kind

Neben dem Anstieg an Geburten im zweiten Corona-Jahr zeigen die Zahlen auch, dass es mehr dritte Kinder gibt. Die Geburten von dritten Kindern stiegen um 3,9 Prozent. Die der ersten Kinder nahmen dagegen insgesamt nur um 1,2 Prozent zu, wie aus der Mitteilung des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. 

Poetzsch spricht von "vorgezogenen Geburten": Familien, die ohnehin ein drittes Kind geplant hätten, aber eigentlich erst in ein paar Jahren, hätten diese Schwangerschaft in der Pandemie vorgezogen. "Auffallend ist, dass dies vor allem deutsche Familien betrifft und weniger ausländische", sagt Poetzsch. Ob dies beispielsweise mit der Jobsicherheit, der finanziellen Lage oder der Arbeits- und Wohnsituation in der Pandemie zusammenhängt, müssten weitere Auswertungen zeigen. 

Die vorliegenden Zahlen weisen auch regionale Unterschiede auf: In Westdeutschland stiegen die Geburtenzahlen im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2020 um 3,3 Prozent. In Ostdeutschland gingen sie hingegen um 5,1 Prozent zurück. Als einen Grund führt das Bundesamt in seiner Mitteilung die abnehmende Zahl der dort lebenden potenziellen Eltern an. Auch ganz allgemein machen die Statistiker einen Unterschied zwischen Ost und West beim Kinderkriegen aus. "Im Osten gilt in der Regel: Ein Kind gehört zum Leben", erklärt Peotzsch. Hier gebe es relativ gesehen viel mehr Mütter. Im Westen hingegen sei die Dichotomie zwischen Frauen, die sich für oder gegen Kinder entscheiden, größer. Wenn sich Frauen für Familie und Kinder entscheiden, würden sie dann aber häufig zwei oder drei oder manchmal sogar vier Kinder bekommen. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Ein Blick nach Italien und Spanien

Unterschiede ergeben sich auch beim Blick ins Ausland. Insbesondere in Südeuropa gingen die Geburtenzahlen in der Pandemie teilweise stark zurück. "Diese Länder waren von der Pandemie besonders stark betroffen", so Poetzsch.

Zu Deutschland werden im Lauf des Jahres weitere Daten vorliegen. Beim Bundesamt für Statistik verweist man auf die Geburtenrate, die aussagekräftiger sei als die Geburtenzahl. Die Geburtenrate berücksichtigt die Anzahl und das Alter der Frauen, die in Deutschland leben. 2020 lag die Geburtenrate in Deutschland bei 1,53 Kindern pro Frau. Diese Daten veröffentlicht das Statistische Bundesamt aber erst Mitte des Jahres.

Quellen: destatis.de, mit Material der dpa

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