In einem Telefongespräch haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Papst Benedikt XVI. über die jüngsten Verstimmungen in der Affäre um den Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson gesprochen. "Es war ein gutes und konstruktives Gespräch, getragen von dem gemeinsamen tiefen Anliegen der immerwährenden Mahnung der Schoah für die Menschheit", teilten beide Seiten am Sonntag in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Der Papst und die Kanzlerin hätten in "großem gegenseitigen Respekt" ihre Haltungen ausgetauscht. Das Gespräch kam auf Wunsch Merkels zustande.
Zu Verstimmungen zwischen Merkel und dem Papst war es gekommen, nachdem die Kanzlerin eine klare Haltung des Vatikans im Fall Williamson angemahnt hatte. Unionspolitiker und einige Bischöfe sprachen von einer nicht akzeptablen Einmischung in Kirchenangelegenheiten. Am Mittwoch verlangte der Papst von Williamson einen Widerruf. Merkel sprach daraufhin von einem "wichtigen und guten Signal".
Unterdessen erklärte Williamson, seine Meinung zum Holocaust vorerst nicht zu widerrufen. Williamson begründete in einem Interview mit dem "Spiegel" seine Verweigerung des vom Papst geforderten Widerrufs damit, er wolle zunächst die historischen Beweise für millionenfachen Mord an den Juden prüfen. "Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen", sagte Williamson in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu dem Streit. Er war vor kurzem mit drei anderen exkommunizierten Bischöfen der erzkonservativen Piusbruderschaft durch Papst Benedikt wieder in die Kirche aufgenommen worden. Nach Darstellung des Vatikans hat der Pontifex von der Holocaust-Leugnung Williamsons nichts gewusst.
Austrittswelle empörter deutscher Katholiken
Williamson lebt in Argentinien in einem Priesterseminar in La Reja, etwa 50 Kilometer von der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires entfernt. In einem TV-Interview hatte der Brite gesagt, historische Fakten sprächen gegen die Existenz von Gaskammern. Es seien nicht sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet worden, sondern 200.000 bis 300.000 - aber keiner von ihnen in Gaskammern.
Inzwischen mehren sich die Anzeichen für eine Austrittswelle empörter deutscher Katholiken, darauf deuten einem Medienbericht zufolge Angaben von Standesämtern und Amtsgerichten in deutschen Städten hin. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", sagte auch Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, der "Passauer Neuen Presse". Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken ist seiner Ansicht nach "ein wenig lädiert". Der geplante Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation möglicherweise verbessern.
Einer Umfrage zufolge hat der Papst nach Ansicht von 67 Prozent der deutschen Katholiken mit der Teil-Rehabilitierung von Williamson seiner Kirche geschadet. 28 Prozent glauben, dies sei nicht der Fall. Bei allen Deutschen ist das Bild ähnlich (67 zu 22 Prozent).
"Zweifellos haben die Ereignisse dieser Wochen der katholischen Kirche geschadet", schrieb der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Sie hätten den falschen Eindruck erweckt, "die Kirche sei vorschnell um die Nähe ziemlich finsterer Menschen bemüht und auf dem Weg zurück in die Vergangenheit". Er habe keine Zweifel, dass der Papst die richtigen Schritte gehen und entsprechende Zeichen setzen werde, "um alle Befürchtungen über eine kirchliche Restauration zu zerstreuen", versicherte der Freiburger Erzbischof.

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Wie Politiker und andere Kirchenvertreter forderte auch Zollitsch einen Ausschluss des Holocaust-Leugners Williamson aus der Kirche. "Herr Williamson ist unmöglich und unverantwortlich. Ich sehe jetzt keinen Platz mehr für ihn in der katholischen Kirche", sagte Zollitsch.