In eigener Sache Wie der stern beim Interview mit Luke Mockridge vorgegangen ist

Mitte März hat der stern Luke Mockridge zum Gespräch getroffen
Mitte März hat der stern Luke Mockridge zum Gespräch getroffen
© Jana Mai / STERN
Dem Comedian Luke Mockridge wurde eine Vergewaltigung und übergriffiges Verhalten gegenüber Frauen vorgeworfen. Der stern hat sich dazu entschieden, ein ausführliches Gespräch mit dem Entertainer zu veröffentlichen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Interview. 

Über zwei Stunden haben wir mit dem Comedian Luke Mockridge gesprochen und ein langes Interview geführt. Es ging um die Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn, um Suizidgedanken und das Leben nach dem Shitstorm. Uns ist bewusst, dass manche Leserinnen und Leser sich fragen werden, wieso der stern den Comedian interviewt und wie die Rahmenbedingungen des Gesprächs aussahen. Hier beantworten wir deshalb die wichtigsten Fragen zum Text.

Wie kam es zum Interview mit Luke Mockridge? 

Vom ersten Kontakt des stern mit dem Comedian Luke Mockridge bis zum Gesprächstermin vergingen Monate. Zuerst rieten Mockridges Anwälte ihm davon ab, dann seine Ärzte. Auch der stern hatte Bedenken. Die Vereinbarung eines Interviews mit Prominenten läuft generell über das Management. Dann beginnen Verhandlungen, die sich über Wochen ziehen können. Manche Managements stellen Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit ein Interview zustande kommt. Redaktionen gehen allerdings nicht auf alle Forderungen ein. Zum Beispiel lehnen wir es ab, wenn der Interviewte die Fragen vorab sehen oder mitbestimmen möchte, welche Überschrift und welches Bild wir für unseren Text auswählen. Die einzige Bedingung von Luke Mockridge war, das Interview im Vorfeld gegenzulesen, also es autorisieren zu lassen. Dass Zitate vor der Veröffentlichung mit dem Gesprächspartner abgestimmt werden, ist in der deutschen Medienbranche gängige Praxis.

Warum führt der stern Interviews mit umstrittenen Personen wie Luke Mockridge? 

Man kann fragen, ob es richtig ist, jemandem eine Plattform zu bieten, gegen den solch schwerwiegende Vorwürfe erhoben wurden. Wir sind der Überzeugung, dass dieser prominente Fall eine Art Lehrstück ist: Wie geht die Gesellschaft mit einem Menschen um, der von den einen als Vergewaltiger, von den anderen als Opfer einer Hetzkampagne gesehen wird? Unsere Aufgabe als Journalisten und auch die des stern als Medium ist es, zu informieren, Sachverhalte zu hinterfragen und einzuordnen. Auch im Fall von Luke Mockridge tun wir das. Der Fall wurde medial viel besprochen und von der Gesellschaft bewertet. Wir haben uns dazu entschlossen, die Geschichte von Luke Mockridge zu hören und zu veröffentlichen, denn zu unserer journalistischen Sorgfaltspflicht gehört es, unparteiisch zu sein und neutral zu berichten. Das schließt auch ein, alle Seiten in einem Konflikt anzuhören. Um dem Verdacht der Parteilichkeit entgegenzutreten, stellen wir in dem Text auch die Perspektive von Ines Anioli dar, der Frau, die die Vorwürfe gegen Mockridge erhoben hat. 

Wie reagiert der stern, wenn während eines Interviews Anschuldigungen gegen Dritte erhoben werden? 

Besonders bei Interviews, in denen Gesprächspartner ihre Eindrücke und Erfahrungen schildern, ist es unabdingbar, alle Personen zu kontaktieren, gegen die in den Interviews Vorwürfe erhoben werden. Jeder muss die Möglichkeit haben, Stellung zu nehmen. Dabei geht es manchmal um vermeintliche Kleinigkeiten. Ein Beispiel aus unserer aktuellen Recherche: Luke Mockridge erzählte im Gespräch, er sei vom Comedian Sebastian Hotz beschimpft worden. Der stern hat Hotz gefragt, ob das tatsächlich passiert sei. Er bestätigte den Vorfall. Andere, mit denen wir sprachen, bestritten weitere von Mockridges Aussagen. Das haben wir an den jeweiligen Stellen deutlich gemacht. Manche lehnten es ab, Stellung zu nehmen. In diesem Fall war das die Anwältin von Ines Anioli, die mit einer Klage drohte, sollten wir das Interview veröffentlichen. In diesem besonderen Fall war es uns jedoch wichtig, auch Aniolis Perspektive darzustellen. Daher haben wir Hintergrundabsätze zwischen den Interviewpassagen eingefügt, aus Informationen, die bereits bekannt sind. Zudem haben wir Ines Anioli angefragt, ob sie mit uns über die Vergewaltigungsvorwürfe und ihre Sicht auf die Geschehnisse sprechen möchte. Leider hat sie darauf nicht geantwortet. 

Wie entsteht der fertige Text? 

Nachdem Reporterinnen und Reporter ein Interview geführt haben, tippen sie das in der Regel auf Band aufgenommene Gespräch ab. Der Text wird dabei häufig für die bessere Lesbarkeit im Schriftlichen sprachlich geglättet sowie gekürzt, um ihn an das vorgegebene Format im Magazin und digital anzupassen. Der Interviewte, in diesem Fall Luke Mockridge, bekommt das Gespräch dann zum Gegenlesen, zur sogenannten Autorisierung. Dieser Schritt dient vor allem dazu, inhaltliche Fehler, die möglicherweise beim Gespräch oder bei der Verschriftlichung der Audio-Aufnahme gemacht wurden, zu vermeiden. Nach der Autorisierung kann es auch zu Veränderungen am Text kommen. Zu große Eingriffe werden von der Redaktion jedoch nicht toleriert. Der autorisierte Text wird im Anschluss noch von der Dokumentation geprüft, der Factchecking-Abteilung des stern, und von der Schlussredaktion final abgenommen. 

Bezahlt der stern Geld für Interviews mit Prominenten? 

Eine Frage, die uns oft gestellt wird und auf die wir mit einem eindeutigen Nein antworten. Der stern zahlt grundsätzlich kein Geld für Interviews mit und Informationen von Prominenten. Eine solche Praxis steht im Widerspruch zu unserem journalistischen Ethos und zur unabhängigen Berichterstattung. 

Warum stehen Artikel wie das Gespräch mit Luke Mockridge hinter einer Bezahlschranke? 

Der stern veröffentlicht jeden Tag zahlreiche Texte, Videos und weitere Inhalte. Ein großer Teil davon, vor allem aktuelle Nachrichten und Informationen, sind für unsere Leserinnen und Leser kostenfrei. Gleichzeitig ist eine Auswahl von Artikeln nur für unsere Abonnenten und Abonnentinnen zugänglich, denn herausragender Journalismus kostet Geld. Weit mehr als 100 fest angestellte Reporterinnen und Redakteure schreiben für den stern, ihre Arbeit muss angemessen bezahlt werden. Allein hinter dem Interview mit Luke Mockridge stecken drei Wochen Arbeit von zwei Redakteurinnen und monatelange Vorarbeit. Wer ein sternPLUS-Abo abschließt, sichert so auch die Zukunft von gutem Journalismus in Deutschland.