Hitzewelle Italien: Schüler fordern das Recht auf freizügige Kleidung im Sommer

Eine Frau kühlt sich mit dem Wasser aus einem Brunnen ab
Abkühlung am Brunnen: Italien wird von einer Hitzewelle geplagt. Schüler fordern deshalb, in leichter Kleidung zum Unterricht kommen zu dürfen.
© Andrew Medichini / Picture Alliance
In Italien haben am Freitag 300 Schüler gegen die Vorgaben ihrer Schulleiterin, "angemessene Kleidung" zu tragen, protestiert. Sie fordern, vor allem bei der Hitze im Sommer, tragen zu dürfen, was sie wollen.

Italien wird seit Wochen von einer anhaltenden Hitzewelle geplant. Ein Hochdruckgebiet aus Afrika lässt die Temperaturen in Rekordhöhen schießen. Mitte Mai haben die Temperaturen bereits die 30-Grad-Marke erreicht. An Pfingsten sind örtlich sogar Spitzenwerte von knapp unter 40 Grad gemessen worden. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Das Wetterphänomen, das üblicherweise erst im Juni über Südeuropa zieht, sorgt für langanhaltende Hitzewellen.

Dass die Schüler in leichter Bekleidung zum Unterricht kommen dürften, steht deshalb außer Frage. Doch wie freizügig dürfen die Klamotten sein? Aus der Frage hat sich an mehreren Schulen eine – im wahrsten Sinne des Wortes – hitzige Debatte entwickelt. Maria Rosa Puleo, Schulleiterin am Fogazzaro-Gymnasium in Vicenza hat die Schüler kürzlich zu angemessenerer Kleidung aufgefordert. Wie das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) berichtet, sei die Pädagogin genervt von den unpassenden Outfits und betonte, "dass wir hier an einem Gymnasium sind und nicht am Strand".

Streik an Schule in Italien

Es sei Aufgabe der Bildungseinrichtung, die Schüler auf ihr künftiges Leben vorzubereiten. Zu einem Vorstellungsgespräch erscheine man schließlich auch nicht in "Badelatschen". Die Schüler gingen daraufhin auf die Barrikaden. 300 junge Frauen und Männer streikten am Freitag vor dem Gymnasium. Auf einer Instagram-Seite von Schülervertretern ist ein Foto des Protestes zu sehen, darunter ein ausführlicher Text zu der Aktion. Einer der Gründe für den Streik sei gewesen, "gegen beleidigende und diskriminierende Worte an 16/17-jährige Schüler" aufzubegehren.

Die Kleidervorschrift sehen viele Schüler als sexistisch an. "Vulgär sind nicht die Brustwarzen, vulgär sind eure Gedanken", zitiert "RND" die 16‑jährige Fabiana. Das Problem sei demnach nicht die Kleidung, sondern die Blicke der Erwachsenen. Sie und die anderen Schüler bestehen auf das Recht, sich so anziehen zu dürfen, wie sie wollen. In den Augen von Schulleiterin Puleo geht es weder um Sexismus, noch um Bodyshaming, sondern um einen Generationskonflikt. Sie habe viel Jugendmode mitbekommen, finde es aber immer schwieriger, aktuelle Trends zu verstehen.

Schüler wünschen sich Dialog

Die Vorbilder vieler Mädchen seien heute halbnackte Influencerinnen und Frauen­bewegungen wie "Free the nipple". Sie sei nicht prüde, aber: "Den Kampf, ohne BH in die Schule gehen zu dürfen, empfinde ich als anachronistisch. Wahre Freiheit ist doch etwas anderes." Dem stimmt die in Italien bekannte und angesehene Schriftstellerin Dacia Maraini zu. Am Wochenende äußerte sie sich mit folgenden Worten zu der Debatte: "In der Schule beschäftigt man sich mit Ideen, mit der Geschichte, mit Ethik – und die Bekleidung muss sich der Würde des Ortes anpassen." Mode sei einfach, stereotyp und habe wenig mit Freiheit zu tun.

Die Schüler sind mit dem Ausgang des Streiks unzufrieden. Auf Instagram beklagen sie den mangelnden Dialog. "Heute hätte Sie herunterkommen können, um uns, ihre Schule, zu konfrontieren, und stattdessen entschied sie sich, nicht zu kommen und zu reden, sondern in ihrem Büro eingesperrt zu bleiben, allein mit ihren Ideen", heißt es in dem Text auf Instagram. Sie selbst seien stets zu einem friedlichen und demokratischen Gespräch bereit.

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Schulleiterin Puleo nahm in einem offenen Brief noch einmal Stellung und entschuldigte sich bei den Schülern. "Es tut mir zutiefst leid, und es betrübt mich, wenn ich unbeabsichtigt Kummer und Leid verursacht habe: Ich entschuldige mich aufrichtig für das, was möglicherweise als Beleidigung gemeint war", zitiert "Der Standard" das Schreiben. Trotzdem ist ein von der Schule vorgegebener Dresscode wohl unumgänglich. Puleo räumt ein, dass solche eine Vorschrift bei den Schülern wohl auf geringe Akzeptanz stoßen werde. "Aber es ist auch eine Frage des Stils, sich dem Kontext entsprechend zu kleiden", sagt sie.

Quellen: Deutsche Presse-Agentur, "Der Standard", Instagram, "Redaktionsnetzwerk Deutschland"

lhi