Jagoda Marinić Von wegen Groß: Auferstehung der Machtmänner

Sogenannte "Big Men" bestimmen die Weltpolitik. Aber gibt es  solcheAlphatiere auch in Deutschland?
Sogenannte "Big Men" bestimmen die Weltpolitik. Aber gibt es  solcheAlphatiere auch in Deutschland?
© getty images
Warum nur bestimmen sogenannte "Big Men“ das Weltgeschehen? Und was sagt es aus, dass unser Gegengewicht Olaf Scholz heißt?

Was ist das doch für ein herrlicher Winter. Schon immer wollte ich in der kalten Jahreszeit davon abhängig sein, ob mich ein Typ, der gern mit freiem Oberkörper auf seinem Pferd durch die russische Taiga reitet, mit Gas versorgt oder nicht.

Und dann unsere Regierenden erst. Was bin ich ihnen dankbar, dass wir so abhängig von Russland sind. Warum auch hätte Deutschland etwas Verrücktes wagen und Vorreiter in Sachen nachhaltige Energie werden sollen?

Unsere Abhängigkeit von einer ehemaligen Lachnummer

Der Mann, den wir einst für seinen Ritt verlacht haben, ist zufällig nicht nur ein wichtiger Energielieferant für Deutschland, sondern auch jener Machthaber, der gerade die größte Konzentration an Militärkräften auf europäischem Boden seit 1945 verantwortet. Monatelang beobachteten viele den Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine mit einer Gelassenheit, als könnte Putin dort eher einen Sonntagsspaziergang mit Zapfenstreich planen.

"Big Men“ – so nennt die CNN-Journalistin Christiane Amanpour die autoritären Herrscher unserer Zeit. Besondere Prachtexemplare des Patriarchats, die als Politiker ihre Eigeninteressen immer vor das demokratische Miteinander stellen. Völkerrecht ist da Nebensache.

Alphatiere im Fokus der Medien

Wir sollten die Analyse dieser Big Men stärker in den Fokus medialer Berichterstattung rücken, weil ihre Herrschafts- und Männlichkeitsideale nicht auszumerzen und unsere pazifistischen Träume kein wirksames Gegenmittel sind.

Ein Big Man kommt selten allein. Mit so viel Solidarität könnte der Feminismus problemlos das Matriarchat installieren, doch Frauen verlieren sich leider zu oft in Konkurrenzen. Machtmännerfreundschaften sind da fürsorglicher: Genosse Putin hat seinen Freund und unseren Altkanzler Gerhard Schröder soeben für einen Spitzenposten beim Staatskonzern Gazprom nominieren lassen. Frau Schröder-Kim wird die Russlandreisen sicher gekonnt auf Instagram inszenieren

Journalismus unter Autokraten

Seit Putin an der Macht ist, wurden mindestens 37 Journalisten in Russland ermordet. Die meisten Fälle blieben unaufgeklärt. Wie kann man als regierungskritischer Journalist auch so anmaßend sein und unbedarft Tee trinken wollen? Man sollte schon einen Vortester für das Gift dabeihaben. Pressefreiheit ist für Big Men eher ein Wort als ein Wert.

Weshalb ist der Typus Napoleonneandertaler also nicht längst ein Auslaufmodell? Obwohl wir vermeintlich Fortschritte machen als Zivilisation, verschieben Big Men die Weltordnung zu ihren Gunsten. Ein Grund für ihren Erfolg liegt, fürchte ich, in der Banalisierung dieser testosteronschweren Machtmänner. Als Trump die politische Bühne betrat, wurde er belächelt wie ein Bachelor. Er steht schon wieder in Stellung. Und Boris Johnson lenkt mit seiner clownesken Art von seiner Politik ab. Gehört das Sich-unterschätzen-Lassen für Big Men zum Kalkül auf dem Weg zur ersehnten Allmacht?

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Jagoda Marinić
© Gaby Gerster

Jagoda Marinić

Die Schriftstellerin und Politologin Jagoda Marinić („Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?“, „Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land“) schreibt alle zwei Wochen – im Wechsel mit Micky Beisenherz – im stern.

Plötzlich ist mitten in Europa die Sprache des Krieges wieder da. Wir Deutschen haben bei der vergangenen Bundestagswahl zum Glück keinen Big Man gewählt, sondern einen Olaf Scholz.

Wieviel Putin steckt in Merz?

Es stand aber auch kein Big Man zur Wahl, an dem wir uns tragisch hätten irren können. Nach der Ära Merkel treibt Friedrich Merz die Maskulinisierung der CDU voran. Auch er lässt sich gern unterschätzen. Wie viel Big Man in ihm steckt, werden wir noch sehen.

Jetzt schon hat er eins gemeinsam mit dem Patriarchat: Gerade wenn man meint, man hätte ihn ein Stück weit hinter sich gelassen, steht er in voller Pracht wieder da.