Kürzlich rief mir eine Freundin beim Abschied hinterher: "Sieh dir bitte mal ‚Bohemian Rhapsody‘ an, den Film über Queen! Ich mag Freddy Mercury zwar nicht, zu krasse Persönlichkeit, aber der Film ist großartig!" Queen? Freddy Mercury? Das alles ist doch aus einem anderen Leben, dachte ich.
Am Wochenende lud ich mir den Film runter, und die Geschichte zog mich sofort rein: Vier Jungs, die keiner kannte und die es mit ihrem Musiktalent zu Weltruhm bringen. Britische Musiknerds, die Clubs füllen und in Hinterhöfen von ihrer Weltkarriere träumen.
Queens legendäre Songs
Wie bei allen Filmen derzeit verordne ich Darstellern, die sich nahe kommen, innerlich Masken. Ich kriege das nicht mehr los. Erst nachdem Queen die Musikwelt erobert hat, die Fangemeinde wächst, eine Tournee durch die USA in riesigen Hallen folgt, gebe ich das Imaginieren von Masken endlich auf. Und bewundere Mercurys geniale Risikolust in der Musik, der wir Songs verdanken wie "Bohemian Rhapsody," "I want to Break Free", "We Are The Champions".
Zum Ende des Films hin spielen die Darsteller auf dem legendären Benefizkonzert "Live Aid 1985" – das ganze Konzert, Freddy Mercurys unvergessliche Show, jede Geste sind bis in die Mimik hinein nachempfunden. Man sieht einen jungen Bob Geldorf, wie er an einem Schnurtelefon die größten Bands seiner Zeit zusammentelefoniert, um Spenden für hungernde Menschen in Afrika zu sammeln. Ich weiß nicht, ob Bob Geldorf diese Art Charity erfunden hat. In jedem Fall hat er sie in eine neue Dimension gehievt, ihr einen Glamour verliehen.
Das unvergleichliche Elebnis eines Live-Auftritts
Dieses Konzert ist in meinem Kopf eine Legende, obwohl ich damals erst acht war. Zu klein also, um zu erinnern, ob man den Organisatoren, so wie das heute üblich ist, hinterher irgendwelche Vorwürfe für irgendetwas gemacht hat. Wahrscheinlich würde das heute keiner mehr in dieser Dimension auf die Beine stellen wollen, weil es zu viele passionierte Suppenspucker gibt – und jeder einzelne hat ein Verstärkungsorgan im Handy. Aber noch 37 Jahre später erinnert sich jeder an die Bilder aus dem Londoner Wembley Stadion und gerät ins Schwärmen. Siebzigtausend Musikliebhaber, die sich im Rhythmus bewegen, aneinandergepresst in der Menge stehen, während alle aus vollem Herzen grölen.
Noch während ich mich an die echten "Live Aid"-Bilder zu erinnern versuche, fällt mir auf, wie lange ich nicht mehr auf einem Livekonzert war. Als vor wenigen Tagen jemand erzählte, er habe Sting live in Mannheim gesehen, wollte ich ihn einen Lügner schimpfen.
Live als große Gemeinschaftserfahrung
Musik als große Gemeinschaftserfahrung ist in den vergangenen zwei Jahren aus unserem Alltag verschwunden. Wir haben nur Politik, Maß-nahmen und Zukunftsängste miteinander geteilt. Wie oft wir in dieser Pandemie behauptet haben, Kultur sei unverzichtbar, aber letztlich doch mit guter Absicht auf fast alles verzichtet haben!

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In Kroatien zogen während der Pandemie Musikstars auf Trucks durch ihre Nachbarschaft, um gemeinsam die Stimmung hochzuhalten, wie sie sagten. Dafür sei Musik da. Wir in Deutschland haben Solidarität vor allem als Aufruf zum Verzicht gelebt. Wir verzichten für alle und schauen dann allein, wie wir uns zwischen Therapie, Sport und Mediation wieder aufladen. Und die Veranstalter müssen sich jetzt ihr Publikum erst wieder zurückerobern.
Freddy Mercury hatte die Gabe, mit seinen drei Musikern nicht nur exzessiven Rock zu wollen, sondern vor allem das Gefühl, gemeinsam mit dem Publikum Momente zu schaffen, die keiner vergisst. Wenn das eine krasse Persönlichkeit sein soll, her damit!