Mit Rechten reden? Seit Jahren frage ich mich, ob ich zu den geistig Schwerfälligen gehöre, weil ich nicht immer auf den ersten Blick erkenne, ob jemand rechts ist. Es ist doch ein Merkmal der heutigen Rechten, dass sie nicht mehr nur mit Glatze und in Springerstiefeln daherkommen. Deswegen muss ich eigentlich mit Menschen reden, will ich ihr Denken verstehen. Und selbst wenn sie redeten wie Rechte, wüsste ich nicht, ob es ihre tiefe Überzeugung ist, dass andere Menschen tatsächlich nichts wert sind. Oder wollen sie nur das Gefühl ihrer eigenen Wertlosigkeit, in einer Zeit, in der alles auf Leistung und Reichtum getrimmt ist, durch den Hass auf andere überlagern?
Wie die Motten das Licht
Ich will nicht mit Rechten reden, wenn ich weiß, es sind machtbewusste Antidemokraten, die im Kern menschenfeindlich sind. Wölfe im Wolfspelz. Ich will ihnen keine Bühne bieten, weil die Sache mit dem Licht und den Motten auch für Debatten und Menschen gilt.

Jagoda Marinić schreibt in ihrer Kolumne über in die Welt, wie sie ihr gefällt – oder auch nicht gefällt. Sie ist Autorin verschiedener Bücher (zuletzt "Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?", "Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land") und Host des Podcasts "Freiheit Deluxe". Als Moderatorin der Literatursendung "Das Buch meines Lebens" (Arte), fragt sie bekannte Persönlichkeiten, wie das Lesen ihr Leben verändert hat. Auf Twitter und bei Instagram findet man sie unter @jagodamarinic.
Rege ich mich über Rechte auf, sehen Hunderttausende auf meinen Social-Media-Kanälen, was Rechte denken und tun. Ich gebe ihrem Gedankengut lieber wenig Reichweite, denn man spricht im Netz gern von Schwarmintelligenz, dabei gibt es dort vor allem Schwarmdummheit. Bei zu vielen bleibt zu vieles undurchdacht hängen. Ich habe mir das von Oprah Winfrey abgeschaut, die einmal erzählte, wie sie zu Beginn ihres Erfolgs als TV-Moderatorin ein Mitglied des Ku-Klux-Klans entlarven wollte. Noch während sie ihre Fragen stellte, spürte sie dessen diabolische Freude darüber, eine schwarze Frau als Kanal für seinen Menschenhass missbrauchen zu dürfen. Sie führte keine Gespräche mehr mit Rechten und wurde mit ihrem positiven Journalismus eine sehr erfolgreiche Medienunternehmerin. Aber ihr Land hat sie trotzdem nicht vor Trump bewahren können. Rechte finden ihre Wege. Die Frage ist deshalb eher, wie man sich ihnen in den Weg stellt. An diesem Punkt scheitern die meisten Demokratien gerade, das Problem ist größer, als unsere deutschen Hysterien es fassen könnten.
Flucht ist keine Option
Die meisten von uns wissen nicht weiter, das ist vielleicht die einzig ehrliche Aussage im Moment. Ich wünschte, ich könnte der Hilflosigkeit, die das erzeugt, durch einen Witz entkommen. Aber manchmal klemmt’s. Etwa wenn ich sehe, wie viele Menschen gerade panische Angst vor einem Rechtsruck im Land haben und vom Auswandern reden. Wo wollen sie denn hin außer ins Biedermeier? Andere haben Angst vor teuren Heizungen, wieder andere vor der Klimakatastrophe. Jedem sein persönliches Angst-Menü, das ist die Stimmung im Land.
Dialog kann auch schmerzhaft sein
Nachdem der erste Landrat der AfD gewählt worden war, schrieb die schwarze Journalistin Mo Asumang: "Ihr lieben Sonneberger, falls Ihr mal reden wollt. Ich bin für Euch da." Asumang ist 60 Jahre alt, ich fürchte, viele jüngere Journalisten mit Diskriminierungserfahrungen würden nicht mit den Menschen in Sonneberg reden. Offen zu sein für alle Seiten tut weh.
Man muss 20 Prozent ernst nehmen, sicher. Das heißt nicht zwingend, dass die anderen 80 Prozent sich von denen die Agenda setzen lassen. Ich habe nicht einmal mehr Bock darauf, die 20 Prozent zu verurteilen, weil sie sich vor Freude darüber im Dreck suhlen würden. 80 Prozent müssten doch in der Lage sein, ein paar gute Ideen für die Zukunft in die Luft zu werfen, oder?
Vielleicht ist die Figur der Stunde der traurige Clown, der sich die Jonglierbälle trotz allem nicht wegnehmen lässt. Und das Lächeln malen wir ihm notfalls auf.