Antisemitismus "Die Koffer bleiben ausgepackt, sind aber griffbereit"

Mehr als 4300 Straftaten gegen Juden in Deutschland seit dem Oktober 2023: Wie geht der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, damit um?
Porträt Josef Schuster
Josef Schuster, 69, fotografiert für den stern in Berlin
© Jonas Holthaus / stern

Herr Schuster, der 27. Januar ist der Holocaust-Gedenktag, an dem seit Jahren das "Wehret den Anfängen" und das "Nie wieder" beschworen werden. Wenn Sie ein Repräsentant des Staates um Rat fragte, was er in diesem Jahr in so einer Rede bloß sagen sollte, was würden Sie empfehlen?
Vonseiten des Bundespräsidenten und der deutschen Regierung haben wir bereits klare Worte gehört, zuletzt auf dem Gemeindetag des Zentralrats. Wenn es ins Praktische geht, wird es schwieriger. Ich denke an die Enthaltung bei der UN oder auch, dass sich die Justizministerkonferenz nicht dazu durchringen konnte, den Slogan "From the River to the Sea" unter Strafe zu stellen. Dieser Satz fordert die Vernichtung Israels, aber die Justizminister wollten abwarten. "Nie wieder" ist aber jetzt und nicht in zwei Jahren. Ich war sehr enttäuscht.

Der Zentralrat der Juden hat gerade eine Kampagne gestartet, in der man zunächst alte Menschen sieht, die über Judenverfolgung berichten. Man denkt, es gehe um die 1930er, dann stellt sich heraus: Die Angriffe sind neu, die Menschen in Wirklichkeit jung.
Wir wollen klarmachen, dass wir leider auch heute wieder antisemitische Thesen und antisemitische Gewalt erleben und dass, wenn wir nicht aufpassen, wieder mehr daraus werden könnte.

Erschienen in stern 05/24