"Eine Packung kostet nur einen Euro. Sie enthält zehn Stück. Kein Jugendlicher kann jetzt noch behaupten, dass ein Kondom zu teuer sei", sagt Roger Kiekens, Sprecher der niederländischen Stiftung Jippy. Die Stiftung bemüht sich, Mädchen und Jungen, die miteinander schlafen, dazu zu bringen, dabei auch an Verhütung zu denken - und ein Kondom zu benutzen. Die meisten tun es nicht, weil Kondome angeblich zu teuer sind. Kiekens Organisation will Abhilfe schaffen und jährlich zehn Millionen Gummis zum Sonderpreis von 10 Cent anbieten. Dabei sucht sie nach unüblichen Absatzwegen.
Realschule verkauft Kondome
In der niederländischen Kleinstadt Zwijndrecht - bei Rotterdam - beteiligt sich die öffentliche Realschule "Walburgcollege" an dem groß angelegten Programm: Schüler können die Pariser an einem Automaten ziehen, der auch frisches Obst, Schokoriegel, Limonade und andere süße Verlockungen anbietet. Für die Schüler soll es ganz normal werden, einen Euro einzuwerfen und dafür eine Zehnerpackung Kondome zu ziehen.
Intensive sexuelle Aufklärung gehört schon seit Jahren zum Lehrplan. "Dann ist es doch nicht verwunderlich, wenn wir unseren Kindern auch beibringen sich selbst beim Verkehr zu schützen, vor ungewollten Schwangerschaften und vor Geschlechtskrankheiten wie Chlamydia und Aids", erläutert Direktor Frans Coers in 'De Telegraaf'. "Wir können diesen Service natürlich auch lassen, aber das wäre eine Vogelstraußpolitik. Einerseits weihen wir unsere Schüler in die Geheimnisse von Sex, Liebe, Verhütung und Fortpfanzung ein, andererseits würden wir ihnen ein inzwischen normales Verhütungsmittel vorenthalten. Für uns gehört dieser Kondomverkauf einfach dazu." Die Hälfte der niederländischen Jugendlichen unter 18 hat regelmäßig sexuelle Kontakte, geht aus einer Untersuchung hervor.
Erster Sex nach drei Monaten Beziehung
Bevor der Kondomautomat angeschafft werden sollte, hat Coers den Elternrat um Genehmigung gebeten - dieser war sofort Verkauf der Billigkondome einverstanden. Sekretärin Marjon Kwaak: "Wir finden die Idee gut, dass die Schule Aufklärung über sicheren Sex anbietet - und ihn dann auch ermöglicht. Schließlich schlafen Jungen und Mädchen heutzutage schon miteinander, wenn sie gerade drei Monate eine Beziehung haben."
Kritiker meinen, dass die Jüngsten verführt würden, zu früh mit körperlichen Experimenten anzufangen. Frau Kwaak hält das für "Unsinn". Sie habe eine 12-jährige Tochter, die selbst entscheide, wann für sie die Zeit gekommen sei. "Sie ist längst noch nicht so weit. Ich glaube nicht, dass der Kondomautomat sie dazu anspornt. Und das gilt auch für andere Kinder".
Auch Anfragen aus Deutschland
Das Walburgcollege ist angeblich die erste Unterrichtsanstalt in Europa, die in dieser Art und Weise auf den Schutz ihren Schüler achtet. Die Stiftung Jippy geht nun auf die Suche nach anderen Schulen - auch in Deutschland. Seit Jippy das Verhütungsprojekt für Jugendliche bei der Aidskonferenz in Toronto im vergangenen August vorgestellt hat, gibt es auch Anfragen aus der Bundesrepublik. "Deutsche Behörden waren daran interessiert, das Konzept einzuführen. Ob es tatsächlich geschieht weiß ich nicht", so Roger Kiekens zu stern.de. Seine Organisation läßt die Schülerkondome in China produzieren, in denselben Fabriken, wo auch die großen, weltweit bekannten Marken ihre Gummiwaren herstellen lassen. Damit ist das gleiche hohe Qualitätsniveau gewährleistet. "Wir zahlen den Einkaufspreis von 4 Cent und bieten 10 Stück für nur einen Euro an. Ein Markenhersteller verlangt fast einen Euro für einen Pariser".

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Kiekens glaubt, dass seine Stiftung zum Preisbrecher auf dem Kondommarkt werden könne, wenn er sie tatsächlich so massenhaft verbreiten kann, wie geplant. "Unser Ziel ist schließlich, die Preise so zu senken, dass sich auch die Ärmsten in Afrika einen Gummischützer leisten können."