Fast zwei Drittel der Lehrer beklagen laut einer Allensbach-Umfrage ungleiche Bildungschancen für Kinder aus den unteren sozialen Schichten in Deutschland. Mehr als jeder zweite Pädagoge (54 Prozent) glaubt zudem, dass die Leistungsunterschiede zwischen Schülern aus einkommensstärkeren und -schwächeren Elternhäusern in den vergangenen fünf bis zehn Jahren eher zugenommen haben - besonders an Haupt- und Realschulen. Zudem sei der Unterricht wie der Umgang mit den Schülern deutlich schwieriger geworden. Verantwortlich werden dafür vor allem Defizite im Elternhaus gemacht.
Die repräsentative Umfrage im Auftrag der Vodafone-Stiftung wurde am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Zwar nennen 75 Prozent der Lehrer die "gezielte Förderung nach Begabung der Kinder" als ein wesentliches Kriterium für eine gute Schule. Gleichwohl sehen aber nur 29 Prozent der Pädagogen eine Chance, dies an ihrer Schule zu realisieren. Von den Eltern glauben sogar nur 20 Prozent, dass dies unter den gegebenen Umständen möglich ist.
Der Vorsitzende des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte, es fehle den Lehrern für eine individuelle Förderung der Schüler einfach die Zeit - zum Beispiel für Einzel-Nachhilfe. Fast dreiviertel der Lehrer wie der Eltern wünschen sich laut der Umfrage kleinere Klassen.
Eltern zeigen kein Interesse am Schulalltag der Kinder
Ansprüche und Realität im Schulalltag klaffen im Urteil von Pädagogen wie Eltern auch bei anderen Kriterien für eine gute Schule weit auseinander - etwa beim Engagement und der Ausbildung der Lehrer wie auch bei der Frage, ob die vorhandenen Schulräume geeignet sind.
Schüler aus sozial hohen Schichten attestieren sich laut Umfrage häufig selbst gute Leistungen und gehen zu 42 Prozent auch gern zur Schule. Ärmere Kinder schätzen dagegen nur zu 37 Prozent ihre Leistungen als gut ein. Nur jeder vierte aus dieser Gruppe geht gern zur Schule.
Für die sozialen Diskrepanzen machen die befragten Lehrer wie Eltern vor allem Erziehungsmängel verantwortlich. Der überwiegende Teil der Lehrer vermisst bei vielen Eltern eine "Vorbildfunktion" und ausreichend Zeit für die Kindererziehung. Auch sind 76 Prozent der Lehrer der Meinung, dass Eltern aus den unteren Schichten vergleichsweise wenig Interesse am schulischen Alltag ihrer Kinder zeigen.
Mehrgliedriges Schulsystem wird weniger akzeptiert
Zugleich beklagt aber auch die Mehrzahl der Lehrer, dass andere Eltern hingegen immer stärker versuchten, Einfluss auf die Gestaltung des Unterrichts und auf die Notenvergabe zu nehmen. Dies gilt laut Befragung in besonderem Maße für die Grundschulen.
Fast zwei Drittel der befragten Gymnasiallehrer (62 Prozent) sind der Ansicht, dass ein wachsender Anteil von Jugendlichen für ihre Schulform nicht ausreichend qualifiziert ist. Besonders ausgeprägt ist diese Auffassung bei älteren Philologen und bei den Lehrern an Gymnasien der neuen Bundesländer.

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Laut der #Link;http://www.stern.de/politik/allensbach-umfrage-90510264t.html;Allensbach-Umfrage# hat die Akzeptanz des mehrgliederigen Schulsystems in der Bundesrepublik in der Gesamtbevölkerung weiter abgenommen. Nur noch 51 Prozent plädieren für die Beibehaltung der gegenwärtigen gegliederten Schulstruktur und damit gegen ein längeres gemeinsames Lernen. Im Vorjahr waren dies noch 58 Prozent. Von den befragten Pädagogen sprechen sich dagegen 59 Prozent gegen eine Gemeinschaftsschule aus, bei den Eltern schulpflichtiger Kinder sind dies 54 Prozent.