Die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie zeigen einen negativen Trend: In Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften sind deutsche Schülerinnen und Schüler seit dem vorherigen Test von 2018 schwächer geworden. In Mathe und Lesen verlieren sie etwa ein ganzes Lernjahr, das heißt, die getesteten 15-Jährigen sind auf dem Stand von 14-Jährigen.
Bei den neuen Ergebnissen handelt es sich um die niedrigsten Werte, die seit dem Beginn der PISA-Studie im Jahr 2000 für Deutschland gemessen wurden. Besonders auffällig ist die Diskrepanz der Leistungen in Mathematik zwischen Schülern aus privilegierten und denen aus benachteiligten Familien.
Schüler in Deutschland nur Mittelmaß?
Mit diesen Ergebnissen befindet sich Deutschland im OECD-Mittelfeld, lediglich bei den Naturwissenschaften liegen wir leicht darüber. Dabei kann es nur wenig trösten, dass sich die Schülerinnen und Schüler in vielen Ländern weltweit verschlechtert haben. Ja, PISA-Siegerländer wie Finnland oder die Niederlande werden auch schlechter – sind dabei aber immer noch besser als Deutschland.
Ganz oben an der Spitze finden sich in erster Linie ostasiatische Bildungssysteme wie Singapur, Macau, Hongkong, Korea oder Japan. Bei den Naturwissenschaften wiederum sind Estland und Kanada weit vorn, die Lesekompetenz ist bei Schülerinnen und Schüler in Irland überragend. Wir bräuchten also kein asiatisches Schulsystem einzuführen, um besser zu werden.
Dabei kommen die schlechten Ergebnisse mitnichten überraschend. Schon bei allen Schulstudien der vergangenen Jahre hatte sich ein solcher Trend für Deutschland abgezeichnet. Besonders bedenklich: Vor allem Mädchen und Jungen aus sozial benachteiligten Elternhäusern oder Kinder mit Migrationshintergrund kommen im Stoff nicht mit. Auch das ist hierzulande lange bekannt, durch Corona und die langen Wochen im Homeschooling haben sich diese Tendenzen nochmal verstärkt.
Getan wurde dagegen zu wenig.
Ein großes Update ist überfällig
Das deutsche Schulsystem braucht ein radikales Update, das ist endgültig offenkundig geworden. Es mangelt an Geld, die Ausstattungen mit Computern und der Umgang mit der Digitalisierung sind nach wie vor nicht zeitgemäß. Aber vor allem fehlen Fachkräfte, auch weil viele Lehrkräfte in Pension gehen. Um neue Leute in den Job zu holen, um junge Menschen, die vor der Berufswahl stehen, für den Posten des Lehrers oder der Lehrerin zu begeistern, müsste man den erst einmal massiv aufwerten. Pädagoge zu sein, das muss attraktiv klingen. Dazu sollte das Studium grundsätzlich reformiert werden. Angehende Lehrkräfte brauchen Wissen, wie sie Schülerinnen und Schüler gezielter fördern können. Denn die Schülerschaft hat sich verändert, sie ist heterogener geworden. Die Lehrerausbildung leider nicht.
Verstehen müssen wir endlich auch, dass Bildung bereits vor der Schule beginnt, in der Kita schon. Erst vor wenigen Tagen hat eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung gezeigt, dass auch dort das Fachpersonal fehlt. Noch dazu bekommen vor allem sozial benachteiligte Kinder keinen Platz.

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Deutschland kann es besser!
Was tun? Sonntagsreden helfen jetzt nicht weiter. Kanzler Scholz sollte Schule zur Chefsache machen. Es muss ein Bildungsruck durch Deutschland gehen, was nur funktioniert, wenn die Ampel mehr Geld für Bildung in die Hand nimmt – auch wenn das keiner hören mag in Zeiten, da noch nicht mal der Haushalt steht. Bei der Bildung wäre das Geld gleichwohl gut investiert, schließlich würde sich langfristig für uns alle auszahlen, wenn gut qualifizierte Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt kommen.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel das sogenannte Startchancen-Pogramm beschlossen, mit dem bundesweit rund 4000 Schulen in sozial schwierigen Lagen besser gefördert werden sollen. 60 Prozent davon sind Grundschulen. Aber bis das Programm zum Schuljahr 2024/2025 starten kann, verstreicht wertvolle Zeit. Zeit, die Kinder nicht mehr nachholen können.
Deutschland kann es eigentlich besser, das hat es nach dem Pisa-Schock anno 2001 bewiesen. Man erinnere sich kurz: Als damals die Ergebnisse der Schulleistungsstudie zum ersten Mal überhaupt veröffentlicht wurden und wir erkennen mussten, dass unser Selbstbild in Sachen Bildung besser war als der internationale Vergleich zeigte, wurden zahlreiche Bildungsinitiativen ins Leben gerufen. Mit Erfolg: Die Schüler in Deutschland wurden beim Lesen, in Mathematik und den Naturwissenschenschaften besser. Von Studie zu Studie, bis 2012 wenigstens.
Es geht also. Man muss nur wollen.