Unwetter Verletzte bei Sturm in Berlin – S-Bahn-Verkehr eingestellt

Ein Baum ist im Berliner Stadtteil Heiligensee beim Unwetter durch schwere Böen auf Autos und einen Transporter gefallen
Ein Baum ist im Berliner Stadtteil Heiligensee beim Unwetter durch schwere Böen auf Autos und einen Transporter gefallen
© Jens Dudziak / DPA
Erneut fegt ein Unwetter über Berlin und Brandenburg. In der Hauptstadt wird der S-Bahn-Verkehr eingestellt – zum zweiten Mal in dieser Woche.

Heftige Sturmböen, starke Regengüsse, mindestens zwei Schwerverletzte und die Feuerwehr im Dauereinsatz: Nur kurz nach dem Chaos zum Wochenbeginn ist erneut ein Unwetter über Berlin gefegt. Wegen umgestürzter Bäume hat die Bahn den Zugverkehr erneut im gesamten Berliner S-Bahnnetz vorübergehend eingestellt. "Auf Grund von witterungsbedingten Beeinträchtigungen wird der Zugverkehr im gesamten S-Bahnnetz eingestellt", teilte das Unternehmen am Abend auf der Plattform X mit.

Um 18.15 Uhr habe die S-Bahn den Verkehr eingestellt, sagte ein Sprecher der Bahn. Es seien Äste und Bäume auf die Gleise gestürzt. Deswegen habe man sich dazu entschieden, den Betrieb vorübergehend auf allen Linien einzustellen. Die Züge, die bereits unterwegs waren, warteten das Unwetter am nächsten Bahnhof ab. Die Aufräumarbeiten liefen auf Hochtouren, sagte der Sprecher. Am Abend nahmen erste S-Bahnlinien wieder den Betrieb auf.

Unwetter-Verletzte in Berlin und Brandenburg

Am Hauptstadtflughafen BER kam es hingegen zu keinen Beeinträchtigungen, wie eine Sprecherin sagte: "Es gab keine Einstellung der Abfertigung." Am Flughafen schien demnach wohl die Sonne.

Die Berliner Feuerwehr registrierte binnen kurzer Zeit 580 Einsätze, wie ein Feuerwehrsprecher gegen 20.30 Uhr sagte. Bislang gebe es zwei Schwerverletzte infolge des Unwetters.

Beide Menschen wurden in Heiligensee verletzt. Einer war laut Feuerwehrsprecher zu Fuß unterwegs. Er wurde von einem umstürzenden Baum getroffen und fiel in einen Graben. Der andere saß in einem Auto, das unter einem umgestürzten Baum begraben wurde. Beide kamen in ein Krankenhaus.

In Potsdam wurde ein Mensch lebensbedrohlich verletzt, wie ein Sprecher der Feuerwehr sagte. Die Person sei zusammen mit einem weiteren Menschen im Neuen Garten von einer herabstürzenden Baumkrone getroffen worden. Die zweite Person erlitt demnach schwere Verletzungen. Nähere Angaben machte die Feuerwehr nicht.

Nordwesten der Stadt besonders betroffen

In Berlin war die Feuerwehr nach eigenen Angaben im gesamten Stadtgebiet wegen umgestürzter Bäume oder abgebrochener Äste unterwegs. Alle Einheiten seien im Einsatz, so der Sprecher. Besonders viele Einsätze gebe es im Nordwesten der Stadt. Betroffen seien Nord-Spandau, Heiligensee und Tegel, so der Sprecher. Im Tegeler Forst seien Straßen kaum passierbar wegen umgestürzter Bäume oder abgebrochener Äste. Teils seien auch Boote auf Gewässern umgekippt, Menschen hätten gerettet werden müssen.

In Konradshöhe im äußersten Nordwesten der Stadt waren fortwährend Sirenen von Feuerwehrfahrzeugen zu hören. Überall lagen riesige Äste auf den Straßen, wie ein dpa-Reporter berichtete. Ein Dachfenster sei durch den Sturm abgerissen worden. In der Müllerstraße in Berlin-Wedding entwurzelte der Wind einen Baum. Drei Autos wurden von dem hinunterstürzenden Baum beschädigt.

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Erst am Montag war die Berliner Feuerwehr im Dauereinsatz nach heftigen Sturmböen. Im Spandauer Forst war bei dem Unwetter am Montag ein Baum auf ein Auto gestürzt und hatte eine 55-jährige Frau darin tödlich verletzt. Der S-Bahn-Verkehr in der Hauptstadt wurde über Stunden eingestellt. Betroffen waren zudem Regional- und Fernzüge. Der DWD hatte eigenen Angaben zufolge schon am Sonntag vor hohen Windstärken gewarnt.

Im Spandauer Forst war bei dem Unwetter am Montag ein Baum auf ein Auto gestürzt und hatte eine 55-jährige Frau darin tödlich verletzt. Der S-Bahn-Verkehr in der Hauptstadt wurde über Stunden eingestellt. Betroffen waren zudem Regional- und Fernzüge. 

Unwetterwarnung vom Deutschen Wetterdienst 

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erklärte, die höchste Windgeschwindigkeit sei am Montag an der Freien Universität Berlin mit 108 Kilometern pro Stunde gemessen worden. Das entspreche Windstärke 11 und orkanartigen Böen, sagte ein Sprecher.


Fragen und Antworten: Was Unwetterwarnungen können - und was nicht


Wettervorhersagen sind heute viel präziser als noch vor wenigen Jahren. Doch sie haben weiter ihre Grenzen - auch mit Blick auf Unwetterwarnungen.

Welche Wetterlagen sind für Meteorologen die härtesten Nüsse?
"Die größte Herausforderung im Sommer sind lokale Extreme, die mit Gewittern verbunden sind. Diese sind unheimlich schwer vorhersagbar", sagt Franz-Josef Molé, Leiter der Vorhersage- und Beratungszentrale beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Im Winter sei dagegen Glättebildung die härteste Nuss. "Die Schwierigkeit bei Gewittern ist, dass es von sehr kleinen Unterschieden abhängt, ob sie harmlos ablaufen oder gravierende Schäden verursachen", ergänzt der Meteorologe.


Warum sind Gewittervorhersagen eigentlich so kniffelig?
"Wenn ein Gewitter pulsiert, ist das wie in einem Kochtopf, in dem Blasen hochschießen. Es ist kaum möglich zu sagen, welcher Ort genau betroffen sein wird", erläutert Molé. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 hätten Gewitter zum Beispiel auch eine entscheidende Rolle gespielt. "Sie sind als Reste in dieses riesige Regengebiet hineingezogen. Durch die zusätzlichen Starkregenfälle sind die Wassermassen dann auf den ohnehin schon völlig übersättigten Böden sofort in die Täler geströmt." Oft gebe es auch eine Kombination von Gewittern, die in Stürmen eingelagert seien. "Auch das macht die Situation dann wirklich brenzlig."


Wieso warnt die DWD-App nicht immer – kommt das öfter vor?
Die Abwägung für eine Unwetterwarnung mit all ihren Folgen für den Katastrophenschutz sei nie leicht, sagt Molé. In Berlin ist im Juni 2025 eine Frau gestorben, weil ein Baum auf ein Auto fiel. Trotzdem gab es vorher keine Unwetterwarnung über die DWD-App. "Unser Kollege war an diesem Tag machtlos", erläutert Molé. "Das Gewitter, das auf Berlin zuzog, hat sich vor der Stadt abgeschwächt. Bei solch einer Tendenz hätte niemand die Unwetter-Karte gezogen." Der Sturm sei dann in der Tat ohne Blitz und Donner über die Hauptstadt gezogen. "Aber ausgerechnet ohne zusätzliche Gewitteraktivität waren die Böen dann völlig überraschend noch stärker als vorher mit Gewittern kalkuliert. Das war also wider sämtlicher Berechnungen und Erfahrungen."


Wäre es nicht besser, immer vorsorglich vor Unwettern zu warnen?
Der Nachteil, wenn man zu oft warne, sei ein Verlust von Glaubwürdigkeit, sagt Molé. "Wir ziehen zum Beispiel erst ab Windstärke 10 die Unwetterkarte." Es gebe aber vor diesem Level präventive Hinweise wie: schwerer Sturm oder Orkanböen nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung für Unwetterwarnungen bei lokalen Ereignissen sei für große Städte schwieriger, weil oft nur einzelne Stadtteile betroffen sind. "Manchmal ist es gar nicht sicher, ob überhaupt etwas passiert. Wenn wir dann präventiv eine Unwetterwarnung herausgeben, haben wir viele Menschen umsonst gewarnt - und das ist auf die Dauer auch schädlich", sagt Molé.


Fühlen wir uns zu sicher - während die Natur unberechenbar bleibt?
"So ist es", antwortet Molé. Deutschland habe eine hervorragende Infrastruktur und der Katastrophenschutz sei sehr gut aufgestellt. "Wir wiegen uns aber zu sehr in Sicherheit bei allem, was da möglich ist - wenn Hänge zum Beispiel abrutschen. Und wer nie erlebt hat, wie es ist, bei Starkregen unter Lebensgefahr aus dem Wasser herauszukommen - der kann sich das einfach oft nicht vorstellen." Wichtig sei es, im Alltag aufmerksam auf Wetterlagen zu achten. "Das gilt jetzt auch schon für extreme Hitze und Waldbrände", warnt Molé. Infos dazu gibt es etwa auf dem neuen Naturgefahrenportal im Internet. Das enthält neben aktuellen Warnungen auch anderer Behörden Ratschläge für eine sinnvolle Vorsorge im Fall von Unwettern.


Hilft Künstliche Intelligenz dabei, Vorhersagen weiter zu präzisieren?
Der DWD arbeitet bereits mit Künstlicher Intelligenz (KI) - von den Wetterbeobachtungen bis hin zu Modell-Simulation. "In Einzelfällen mag die KI besser sein, in der Gesamtheit der Meteorologen national und weltweit eher nicht", urteilt Molé. So habe sich ein bekanntes US-Unternehmen gerühmt, sein KI-Modell könne die Zugbahnen von Wirbelstürmen besser vorhersagen. "Dummerweise sind die Intensitäten dieser Stürme aber zum Teil schlecht simuliert", kritisiert der Meteorologe. Die Mitarbeitenden im Wettervorhersage- und Warndienst hätten den Vorteil, dass sie durch ihre Erfahrung mehr wüssten als die KI. Die sei dafür zum Beispiel bei der Kombination von Wetterdaten, Umweltdaten und Baumbeständen unschlagbar. "Aber was das alles wiederum für Auswirkungen hat, kann ein Meteorologe sicher verständlicher formulieren - vor allem auch für den Katastrophenschutz und die Öffentlichkeit."

Für Donnerstag hatte der DWD für weite Teile Brandenburgs und für Berlin eine Unwetterwarnung herausgegeben. Er rechnete mit orkanartigen Böen mit Geschwindigkeiten von 110 Kilometern pro Stunde.

Nach ersten Angaben registrierte der DWD jedoch am Abend in Berlin Windgeschwindigkeiten von maximal rund 95 Kilometern pro Stunde. "Die Unwetter sind durch", sagte ein DWD-Sprecher.

DPA
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