Verunglückter Greifvogel, angefahrener Schwan oder Enten auf Irrwegen: Das Team des Hamburger Schwanenwesens ist in diesem Jahr mehr als 1.700 Mal ausgerückt, um in Not geratene Tiere zu retten. Das war deutlich mehr als in den vergangenen Jahren, wie der Leiter des Schwanenwesens, Olaf Nieß, der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg sagte.
"Das war schon wirklich gewaltig. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass das doch so viel und so massiv ist." Normalerweise stehen am Ende des Jahres rund 1.300 Einsätze zu Buche. Das zehnköpfige Team ist in Hamburg nicht nur für die berühmten Alsterschwäne zuständig, die übers Jahr auf den Hamburger Gewässern paddeln und im Winter im Winterquartier versorgt werden. Auch hilflose Wildtiere gehören zum Einsatzbereich des Schwanenwesens.
Etwa zehn Prozent aller Einsätze wegen der Vogelgrippe
In diesem Jahr kamen zudem Geflügelpest-Einsätze dazu. "Das war vom Zeitfenster her extrem, weil wir ab dem 20. Oktober hier richtig die Hacken in den Teer hauen mussten. Wir sind bis nachts 1.00/2.00 Uhr gefahren und haben überall irgendwo tote oder sterbende Tiere eingesammelt." Die Tiere werden eingesammelt, damit sich das für Vögel tödliche Virus nicht weiter verbreiten kann. Diese Einsätze hatten einen Anteil von rund zehn Prozent. Unter den eingesammelten Tiere waren allein 44 Kraniche. "Normalerweise haben wir übers Jahr vielleicht mal einen toten Kranich", sagte Nieß dazu.
Ein weiterer Grund für die Zunahme der Rettungseinsätze sei, dass Hamburg mehr begrünte Dächer hat. "Das sind zusätzliche Einsatzstellen. Die nutzen die Tiere natürlich auch als Brutbereiche oder als Rückzugsbereiche. Und somit kommt es dort zu verletzten Tieren oder eben Jungtieren, die da oben drauf gefangen sind." Schwerpunkt seien in der Regel Feder- und Wasserwild.
Die kuriosesten Einsätze im Jahr 2025:
Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Marder in der Blumenvase
"Die Geschichte war in diesem Jahr die lustigste", sagte Nieß. Sein Team war wegen verdächtiger Geräusche in einen Blumenladen gerufen worden. Auf der Suche nach dem möglichen Tier, hätten sie alles zur Seite geräumt und seien dann auf eine kunstvolle, große Vase gestoßen. Darin entdeckten sie schließlich einen jungen Steinmarder. Wie lange das Tier darin gefangen war, konnte Nieß nicht sagen. "Wir haben ihn dann zur Dienststelle mitgenommen, hier weiter aufgezogen und ihn dann ausgewildert."
Umherirrender Jungfuchs auf Industriegelände
Der junge Fuchs war tagelang auf einem Industriegelände unterwegs gewesen. "Er kam dann immer wieder in die Nähe vom Menschen, er lief immer wieder in der Nähe von Straßen umher, so dass die Gefahr bestand, dass er überfahren wird." Nieß und sein Team seien schließlich durch Brombeerhecken und schwer begehbares Gelände gestiegen, um das Tier einzufangen. "Und dann ist er auf eine Treppenanlage raufgegangen. Und da konnten wir ihn dann einkesseln und mit einem beherzten Sprung und einem guten Catcher-Treffer einfangen." Am Ende stellte sich heraus, dass der kleine Fuchs angefahren worden war und sich keine Beute mehr fangen konnte. "Und den haben wir dann auch eine Zeit hier aufgepäppelt und wieder ausgewildert."
Seehund versteckt sich auf Ponton-Anlage
Auch 2025 hatte das Schwanenwesen wieder zahlreiche Seehund-Einsätze. Ein geschwächtes Tier hatte sich beispielsweise in einer Ponton-Anlage einer Getreidemühle versteckt. "Wir sind an den nicht rangekommen. Wir mussten uns dann wirklich diese fast 100 Meter lange Anlage herunterschleichen, damit er uns nicht bemerkt. Am Ende haben wir uns aus einer Höhe von zwei, drei Metern auf ihn kletternd beziehungsweise springend fallen lassen, damit er es nicht schafft, vor uns wieder ins Wasser zu kommen und wir ihn dort greifen können."
Sportlich müssten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Schwanenwesen also auf jeden Fall sein, sagte Nieß lachend. "Ja, das lässt sich an dieser Dienststelle nicht vermeiden. Sie dürfen keine Höhenangst haben. Wasser muss auch ein angenehmer Part für sie sein. Da dürfen sie nicht zimperlich sein, da müssen sie auch mal voller Klamotten ins Wasser reinspringen. Das ist hier nicht selten, dass das vorkommt."
Gans reist auf Containerschiff in den Hamburger Hafen ein
Das Tier ist in der Deutschen Bucht auf dem Schiff gelandet. "Die ist auf dem Containerschiff notgelandet und mit dem Schiff in den Hamburger Hafen eingefahren." Die Besatzung sei ganz rührig gewesen und habe dem Tier Futter und Wasser hingestellt und schließlich das Schwanenwesen gebeten, die Gans einzufangen. "Dass wir auf einem Containerschiff zu tun haben, ist für uns trotz vieler Einsätze im Hafen durchaus ungewöhnlich."
Schwan fliegt in Kinderwagen
Außergewöhnlich sei auch ein Schwan gewesen, der ein Brückengeländer touchiert hatte und deshalb abgestürzt war. Dabei fiel er zufällig weich - er landete in einem Kinderwagen, den eine Mutter gerade über die Brücke schob. "Glücklicherweise hat sie ihr Kind an der Hand und der Wagen war leer und alle guckten sich erst mal groß und verdutzt an, was denn das jetzt hier alles werden würde. Das war auch eine ganz witzige Geschichte."
Entenfamilie im Großraumbüro
Das Schwanenwesen muss auch häufig in Tiefgaragen, auf Dachgärten und in Großraumbüros Entenküken retten. In einem Fall habe beispielsweise eine Familie in einem Blumenkübel gebrütet. Das sei erst aufgefallen, als die Entenmutter mit ihrem Nachwuchs aus dem Kübel gesprungen war. "Die Tiere sind hervorragend getarnt und die wissen genau: "Mensch, morgens 8.00 Uhr geht das hier los, 18.00 Uhr ist Ruhe." Dann bleiben die zehn Stunden da sitzen und brüten. Und danach gehen sie eben zum Baden, Waschen und Fressen runter und kommen dann wieder reingeflogen."
Bei solchen Rettungen sei es immer schön, wenn selbst gestandene Männer mit einem Blick auf die Küken sentimental werden. "Jeder möchte sich mal kleine Küken angucken und wenn man die dann noch mal in die Hand nehmen darf, dann gehen bei so vielen Menschen die Herzen auf. Und das ist jetzt nicht nur die begeisterte Frau, sondern das ist also auch wirklich der große, kräftige, tätowierte Mann, der da steht und dann fast eine Träne in den Augen hat, weil er da jetzt so ein kleines Entenküken in der Hand hat."
Kuriose Falschmeldungen
Lustig sei auch, was die Menschen dem Schwanenwesen manchmal melden und um welche Tiere es sich dann tatsächlich handelt. "Da werden Mauersegler zu Greifvögeln, weiße Enten zu Schwänen und sogar Tauben zu Kranichen. Da zweifelt man schon ein bisschen in Sachen Naturnähe." In einem Fall sei das Schwanenwesen zu einem sterbenden Schwan in einem Baum gerufen worden. "Es war dann ein weißer Luftballon."