Stehen viele rheinland-pfälzische Kommunen bei der Zusammenarbeit auf der Bremse? Deutliche Hinweise aus der Landesregierung lassen darauf schließen: Mehr Tempo und Offenheit für die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen wird gewünscht. Die kommunalen Spitzenverbände halten dagegen.
"Ich finde, dass wir bei der freiwilligen Form von kommunaler Zusammenarbeit ganz gut vorankommen, weil es so viel Projekte wie noch nie gibt", sagt Innenminister Michael Ebling (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Aber ich würde auch immer sagen, da ist natürlich noch Luft nach oben. Ich würde mir schon auch noch mal eine andere Geschwindigkeit wünschen."
Innenminister: Keine Scheu vor Veränderungen
Die Kommunen würden von ihrer Gestaltungsarbeit nichts preisgeben, wenn es in Rheinland-Pfalz nicht wie aktuell etwa 80, sondern nur eine hoch kompatible Finanzverwaltungssoftware geben würden, sagte Ebling als ein Beispiel für sinnvolle Synergien. Bei der interkommunalen Zusammenarbeit gehe es um eine reale Entlastung der Verwaltungen und die Möglichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern digitale Dienstleistungen wie etwa eine Kfz-Zulassungsstelle über Kreisgrenzen hinweg anzubieten.
Er wünsche sich, dass es eine größere Lust gibt, mit digitalisierten Dienstleistungen den Bürgern etwas anzubieten, anstatt bei der Zusammenarbeit von Kommunen Debatten über das Verschieben von Kreisgrenzen oder das Ordnen von Zuständigkeiten zu führen, erklärte der Innenminister. Es brauche vor Ort auch Verantwortliche, die bereit sind, diesen Weg zu gehen und nicht die Scheu vor Veränderungen und auch der Zentralisierung von Aufgaben haben.
Kommunalreform liegt seit 2024 auf Eis
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Von den rund 2.300 Gemeinden in Rheinland-Pfalz haben etwa 1.600 weniger als 1.000 Einwohner. Die Statistiker ermittelten zuletzt sogar 144 Ortsgemeinden im Land, bei denen der Bevölkerungsanteil unter 100 liegt, in 42 Ortsgemeinden sogar unter 50 Personen. Die SPD-geführte Landesregierung hatte eine Kommunalreform 2024 auf Eis gelegt und setzt auf interkommunale Zusammenarbeit und freiwillige Fusionen.
Grünen-Fraktionschefin Pia Schellhammer drängt auf eine Modernisierung der kleinteiligen Verwaltungsstrukturen in Rheinland-Pfalz. Es gehe darum, ob der Staat funktioniert, sagte Schellhammer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Der Mensch hat ungefähr alle 1,7 Jahre einen Behördenkontakt im Durchschnitt - manchmal mehr, manchmal weniger. Aber das muss klappen."
Grünen-Fraktionschefin: Struktur nicht mehr zeitgemäß
Die letzte richtige Verwaltungsstruktur in Rheinland-Pfalz habe es in den 1970er Jahren gegeben, erklärte die Grünen-Politikerin. "Und letztendlich sind wir fast immer noch in den Strukturen, bis auf die paar Fusionen der Verbandsgemeinden." Diese Struktur sei einfach nicht mehr zeitgemäß. Deshalb setze sie sich für erneut für eine Kommunalreform ein.
Da in Rheinland-Pfalz derzeit sehr auf Freiwilligkeit bei der Zusammenarbeit zwischen Kommunen gesetzt werde, gebe es sehr deutliche Unterschiede wegen der kleinteiligen Verwaltungseinheiten im Land, berichtete die Fraktionsvorsitzende. Das betreffe Genehmigungen für Unternehmen, die digitale Erreichbarkeit von Verwaltungen, die Vielzahl der unterschiedlichen Softwarelösungen und die Effizienz mit Blick auf das Aufstellen von Haushalten für Kommunen mit beispielsweise nur 60 Einwohnern.
Kein anderes Bundesland mit einer kleinteiligeren Struktur
Bundesweit gebe es kein Bundesland mit einer kleinteiligeren Struktur als in Rheinland-Pfalz, hatte Rechnungshofpräsident Marcel Hürter Anfang des Jahres gesagt. Bei der Frage, ob größere Einheiten sinnvoll sind, gehe es nicht nur um finanzielle Aspekte oder die Möglichkeit für Einsparungen. Berücksichtigt werden müsse auch die Leistungsfähigkeit der Gemeinden.
Der geschäftsführende Direktor des Landkreistags Rheinland-Pfalz, Andreas Göbel, verwies auf etliche Projekte zwischen Kreisen in Rheinhessen. Dabei gehe es nicht um das Zusammenlegen von Verwaltungen, sondern gemeinsame digitale Möglichkeiten. Göbel warnte davor, gerade in ländlichen Regionen öffentliche Einrichtungen zu schließen. Das wäre ein völlig falsches Signal an die Menschen, dass sich der Staat aus der Fläche zurückzieht.
Landkreistag räumt Beharrungsvermögen in den Verwaltungen ein
Göbel räumte jedoch ein, dass mehr Tempo bei den Kooperationen, eine stärkere Bürgernähe und mehr digitaler Service in der Verwaltung wünschenswert seien. Es gebe noch viel Beharrungsvermögen in den Verwaltungen.
"Interkommunale Kooperationen sind keine Selbstläufer", sagte auch der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Moritz Petry. "Hier hängt auch viel am Willen der Menschen vor Ort und es gilt, an der einen oder anderen Stelle auch Vorurteile abzubauen." Das Potenzial an interkommunalen Kooperationen sei aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. "Wir sehen hier eine große Chance."
Bei Zusammenarbeit nicht ausschließlich auf Finanzen schauen
Es sei allerdings ein Irrglaube, dass durch interkommunale Kooperationen die Finanzprobleme der Kommunen gelöst werden können, mahnte Petry. Sie könnten aber Leistungen besser, schneller und effektiver machen. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel sei interkommunale Zusammenarbeit wichtig, um auch in Zukunft funktionierende Verwaltungsstrukturen und einen guten Service für die Bürgerinnen und Bürger anbieten zu können.
Mit zunehmender Digitalisierung böten sich auch immer mehr Potenziale für Kooperationen bei der Abwicklung im sogenannten Backoffice, erklärte Petry. "Das heißt auch, dass man sich auch gar nicht unbedingt nach einer Kooperation mit seiner Nachbargemeinde umschauen muss, sondern auch - sofern es der rechtliche Rahmen zulässt – auf eine Gemeinde am anderen Ende des Kreises oder des Landes zugehen kann."
Erste Ansätze dazu gibt es bereits am Mittelrhein. "Das ist übrigens ein unschlagbarer Vorteil gegenüber Gebietsänderungen im Rahmen einer Kommunal- und Verwaltungsreform", betonte der Geschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands.