"Als das Geschäft sogar vor Neujahr einbrach, war mir klar, dass ich meinen Job nicht behalten werde", sagt Oleg Semkow, studierter Elektroingenieur und zuletzt Verkaufsleiter in einem Großhandel für Kameras, Computer und Telefone. In den vergangenen drei Monaten hat er mehr als 100 Bewerbungen geschrieben - ohne Erfolg. Die dritte Kündigungswelle seiner Firma erwischte ihn im Dezember zusammen mit 100 Kollegen. Er hatte die Stelle erst im Sommer angetreten.
Semkow, der knapp 1600 Euro netto verdient hat, bekam zwei Monatsgehälter Abfindung. Jetzt bezieht er monatlich gut 100 Euro Arbeitslosengeld vom Staat, die Höchstsumme in Russland. Seine Frau Alexandra, 27, und er haben eine drei Monate alte Tochter und leben in einer Einzimmerwohnung auf 18 Quadratmetern. "Aber uns geht es noch gut", sagt Semkow. "Die Wohnung gehört uns. Wir haben sie gekauft, bevor die Immobilienpreise in Moskau explodierten." 27.000 Euro hat das Apartment damals gekostet. Semkow nahm einen Kredit auf, bezahlte die Summe allerdings vor der Krise auf einen Schlag ab.
"Meine Freunde haben mich damals für verrückt erklärt. Die dachten, wir Russen werden nun immer reicher. Aber irgendwie ahnte ich, dass dieses märchenhafte Wirtschaftswachstum nicht ewig dauert." Ein wenig Erspartes ist Semkow noch geblieben. Davon lebt die Familie jetzt. Der Traum von einer eigenen Datscha in einem kleinen Dorf 100 Kilometer vor Moskau ist vorerst geplatzt. Auch ein zweites Kind wünscht sich die Familie. "Aber das muss warten, bis die Krise überstanden ist", sagt Semkow.