Textilfabrik in Bangladesch Wenn dein Boss ein neunjähriges Mädchen ist

Hat sich die Lage nach dem schweren Unglück in einer Textilfabrik in Bangladesch verbessert? Eine kanadische Journalistin war undercover vor Ort - und bekam eine Neunjährige als Aufseherin zugeteilt.

Ein halbes Jahr ist es her, als das Fabrikgebäude Rana Plaza in Bangladesch in sich zusammenstürzte und über 1100 Menschen unter sich begrub. Der Aufschrei von damals ist längst verstummt. Doch haben sich die Bedingungen der Arbeiterinnen auch langfristig verändert? Die kanadische Reporterin Raveena Aulakh vom "Toronto Star" schleuste sich für vier Tage undercover als Nähhelferin in eine kleine Fabrik in der Hauptstadt Dhaka ein, um sich ein eigenes Bild vom täglichen Schuften zu machen.

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Der Traum von 45 Dollar Monatslohn

In ihrem Artikel (hier komplett im Original nachzulesen) beschreibt die Reporterin, unter welchen katastrophalen Bedingungen dort gearbeitet wird: Zwölf Stunden lang mussten sie und ihre oft minderjährigen Kolleginnen aufrecht auf dem Fußboden in einem Raum ohne Fenster ausharren. Die einzige Abkühlung lieferten Ventilatoren - wenn denn der Strom funktionierte.

Besonders schockierend: Aulakhs Vorgesetzte, Meem, war erst neun Jahre alt - sah aber durch die Entbehrungen und kräftezehrende Arbeit aus wie fünf oder sechs. "Der einzige Traum in ihrem Leben ist es, von einer Nähhelferin zu einer Nähmaschinenkraft aufzusteigen, um einen Monatslohn von 45 Dollar zu erhalten", schreibt die Journalistin.

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Zweitgrößter Produzent von Textilien weltweit

Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Produzent von Textilien weltweit. Die rund 4500 Fabriken im Land produzieren rund 80 Prozent aller Exporte des Landes. Deren Wert beläuft sich auf rund 20 Milliarden Euro jährlich.

Trotzdem müssen die Textilarbeiter im Land für einen Hungerlohn arbeiten. Der derzeit geltende Mindestlohn reicht nach Gewerkschaftsangaben nicht aus, um in Würde zu leben. Ende Oktober hatten die Textilarbeiter eine Erhöhung des Monatsgehalts von derzeit 3000 Taka (28 Euro) auf 4500 Taka (42 Euro) plus Essensgeld als zu niedrig abgelehnt.

Hinzu kommen die schlechten Arbeitsbedingungen und die mangelnde Sicherheit am Arbeitsplatz. Bei Bränden in Textilfabriken starben allein in den vergangenen Monaten hunderte Arbeiter.

jwi (mit AFP)