Die Lesung ist vorbei, auch die Signierschlange ist gleich durch. Meine rechte Hand krampft vom Unterschreiben; ich muss mich konzentrieren, um die Namen nicht zu vermasseln. Jannick mit y, Stephanie mit f, so heißen die Endgegner von müden Autorinnen. Aber die junge Frau, die mir jetzt gegenübersteht, will gar keine Signatur, obwohl sie einen kaum zu vermasselnden Namen trägt. Nennen wir sie Lina. Ich schätze sie auf Mitte dreißig. "Ich habe noch eine Geschichte für dich", sagt sie. "Die wollte ich vorhin nicht erzählen." Vorhin, das war, als ich auf der Bühne nach Trennungsstorys gefragt habe. Ich bin schließlich nicht die Einzige, die, wie in meinem Buch "Ex" wenig glorreich nachzulesen, immer wieder mit Karacho gescheitert ist.
Das Ganze sei schon ein bisschen her, sagt Lina. Gerade mal 18 sei sie da geworden. "Das war noch lange vor Tinder, also was sollte man machen, wenn man Bock auf Sex hatte? Natürlich: die Kontaktanzeigen der Regionalzeitung durchgehen! Und Bingo, da war tatsächlich einer, der genau wie ich einfach nur nach jemandem zum Vögeln suchte. Umso besser, dass er bereits 43 war. Es war ohnehin eine Fantasie von mir, mit einem älteren Mann zu schlafen. So etwas Spannendes, Verbotenes wollte ich schon immer mal machen.