Wir begegnen den Grantigen leider überall: In der Schlange vor der Supermarktkasse, im Zug, auf dem Fahrradweg oder bei der Parkplatzsuche, und oft wünschen wir uns, wir könnten so lässig reagieren, wie Evelyn in der Tragikomödie "Grüne Tomaten": Als zwei junge Frauen ihr die Parklücke wegschnappen und sie außerdem aufgrund ihrer Figur und ihres Alters beleidigen, sammelt sie sich kurz, lächelt, setzt mit ihrem Auto zurück und gibt Gas. Mehrfach fährt sie in das Cabrio der jungen Frauen hinein. "Ich bin zwar älter und dicker als ihr", ruft sie durchs Autofenster, "aber auch besser versichert!"
Nun müssen wir nichts zu Schrott fahren, um unhöflichen Menschen den Spiegel vorzuhalten. Wir sollten uns aber auch nicht schlecht behandeln lassen. Gefühlt gelingt es immer weniger Menschen, auf andere zu achten und den richtigen Ton zu treffen. In manchen Situationen verlieren inzwischen sogar Staatsoberhäupter ihre Contenance und lassen sich dafür öffentlichkeitswirksam feiern. Dabei ist Höflichkeit eine Haltung, die unser Zusammenleben überhaupt erst möglich macht. Wer sich höflich gibt, zeigt Achtung vor anderen Menschen und verhält sich respektvoll. Also Schluss mit dem Rempeln und Schnauzen! Wir zeigen Ihnen, wie Sie Rüpel stoppen.
Fragen Sie sich: Bin ich gemeint?
Sollten Sie unhöflich behandelt werden, sortieren Sie am besten erst einmal die Situation, empfiehlt Psychologin und Coachin Baha Meier-Arian: "Hat Ihr Gegenüber wirklich Sie gemeint? Oder fungieren Sie als Ventil für seine oder ihre schlechte Laune?" Erinnern Sie sich daran, dass wir Menschen große und kleine Probleme mit uns herumtragen, die uns an manchen Tagen überfordern und explodieren lassen. Baha Meier-Arian rät ihren Klienten, aus- und einzuatmen und sich zu fragen: Wer hat mich da gerade angepöbelt – und hat diese Grenzüberschreitung wirklich etwas mit mir zu tun?
Schaffen Sie Distanz zur unhöflichen Person
Wer Sie auch immer angegangen ist, es bleibt Ihre Entscheidung, ob Sie darauf eingehen möchten. Wenn es uns gut geht, fällt es uns leichter, uns abzugrenzen. Manchmal verbirgt sich hinter den Grobheiten eines Gegenübers ein größerer Konflikt. Oder jemand in Ihrem Umfeld ist notorisch unhöflich. Dann gilt es, den Menschen auf sein Verhalten anzusprechen und sich davon zu distanzieren. Mit der einfachen Frage: "Geht es Ihnen/Dir gut?" zeigen Sie dem unhöflichen Gegenüber, dass seine Reaktion aus der Balance geraten ist und er oder sie verhaltensauffällig auf andere (und auf Sie) wirkt. Bieten Sie ein Gespräch an, falls es etwas zu klären geben sollte.
Machen Sie klare Ansagen
Ungehobelte Menschen brauchen klare Ansagen. Wer bisher nicht auf Zwischentöne achtgegeben hat, wird nicht plötzlich damit beginnen. Und das fordert vor allem höfliche Menschen heraus, die denken: Aber das muss man doch merken! Sehen! Erahnen! "Wer sich vordrängelt, unachtsam ist, einen anblafft, weil man im Weg steht, muss ebenso deutlich erfahren, dass damit eine Grenze überschritten wurde", erklärt die Psychologin Baha Meier-Arian. Sie sagen freundlich, aber bestimmt, dass Ihnen die Art der Kommunikation nicht gefällt. Beschreiben Sie, was Sie ärgert. Reagieren Sie dabei nicht passiv-aggressiv, das verschärft die Situation nur, sondern sprechen Sie so höflich, wie Sie es sich auch von anderen wünschen.
Wie immer in Auseinandersetzungen ist es sinnvoll, sich in Ich-Botschaften auszudrücken: Ich empfinde deine Art als übergriffig. Ich erlebe es als respektlos, wenn Sie Witze über mich machen/mich warten lassen/mich nicht ausreden lassen. Noch ein Tipp der Psychologin Baha Meier-Arian: "Je nachdem, in welchem Verhältnis Sie zueinanderstehen, können empathische Fragen dabei helfen, sich auf Augenhöhe auszutauschen. Vielleicht ist der unhöfliche Mensch angespannt? Überfordert? Was könnte der Grund sein für die gereizte Stimmung?" Das ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn Sie dafür Kapazitäten haben und eine ruhige Unterhaltung möglich ist.

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Warum Sie sich diese Mühe machen sollten? Weil es sich lohnt, für mehr Freundlichkeit zu werben: Sie wirkt ansteckend. Höfliche Menschen bereichern unser Leben, und schon kleine Gesten erhellen den Tag: Anderen die Tür aufzuhalten, sich zu bedanken, mitzudenken und anderen etwas anzubieten – solche Momente sind der soziale Kit unserer Gesellschaft. Und sie tun uns gut, wie Wissenschaftler mit einer Studie herausgefunden haben: Großzügiges Verhalten gegenüber Mitmenschen macht das Leben nicht nur leichter, sondern löst ein Glücksempfinden aus.
Baha Meier-Arian ist Psychologin und Coachin mit Praxis in Ulm. 2020 erschien von ihr "Charaktere des Alltags – Wegweiser durch die Suppe des Lebens" im Novum Verlag.
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