Freiwillige Feuerwehr Deutschlands wichtigstes Ehrenamt braucht Hilfe!

Glücklicherweise selten geworden: der Großbrand  Großbrände wie hier in diesem Hamburger Lagerhallenkomplex kommen heute nur noch selten vor. In solchen Fällen bekämpfen zahlreiche Freiwillige Wehren zusammen mit der Berufsfeuerwehr die Flammen und verhindern ein Überspringen des Brandes auf die Nachbargebäude. Letzteres ist oft die Hauptaufgabe. Das brennende Gebäude ist oft ohnehin nicht mehr zu retten. 
Glücklicherweise selten geworden: der Großbrand
Großbrände wie hier in diesem Hamburger Lagerhallenkomplex kommen heute nur noch selten vor. In solchen Fällen bekämpfen zahlreiche Freiwillige Wehren zusammen mit der Berufsfeuerwehr die Flammen und verhindern ein Überspringen des Brandes auf die Nachbargebäude. Letzteres ist oft die Hauptaufgabe. Das brennende Gebäude ist oft ohnehin nicht mehr zu retten. 

© Timo Drux /Freiwillige Feuerwehr Hamburg
112 wählen und die Feuerwehr oder der Rettungswagen kommt. Was sich selbstverständlich anhört, wird nur durch ehrenamtliche Männer und Frauen am laufen gehalten. Doch das weltweit einzigartige System der Freiwilligen Feuerwehr erodiert zunehmend.  

In einigen Regionen Bayerns ging buchstäblich die Welt unter. Am ersten Juniwochenende fiel innerhalb weniger Stunden so viel Regen wie sonst in einem ganzen Monat. Selbst kleine Flüsse wurden zu reißenden Fluten, Häuser liefen voll, die Keller sowieso. Manche Bewohner saßen in ihren Häusern wie auf einer Insel und wartend auf Hilfe. Einer der Helfer war ein 42-jähriger Feuerwehrmann. Mitten in der Nacht war er mit drei weiteren Kameraden im Schlauchboot zu einem der unterspülten Häuser nahe der Orte Affalterbach und Uttenhofen unterwegs. Das Boot kenterte, er schaffte es nicht ans Ufer und ertrank. Der Tod des Familienvaters hat die Einwohner von Pfaffenhofen tief erschüttert. Man kennt einander auf dem Land und sich in so ein Risiko zu begeben war nicht sein Beruf, er half aus freien Stücken als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. 

Was nur Wenige wissen: Fast alle, die auf den Fernsehbildern über die Hochwasser-Katastrophe zu sehen sind, waren ehrenamtlich dort: als Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerkes THW. Lediglich die großen Städte leisten sich noch Berufsfeuerwehren. So stehen den 100 hauptberuflichen Wehren rund 22.000 Freiwillige Feuerwachen gegenüber. Wer die 112 wählt, dem eilen also sehr wahrscheinlich Ehrenamtliche zur Hilfe. Auf dem Land wie zum Beispiel der dünn besiedelten Uckermark in Brandenburg sowieso. In jedem Dorf steht dort ein gepflegtes Gerätehaus mit dem Einsatzfahrzeug. Der Dienst bei der Wehr ist Ehrensache, er gehört zum Dorfleben.

Dieses System ist weltweit einmalig. Deutschland und Österreich sind die beiden einzigen Staaten weltweit, deren Brand- und Katastrophenschutz flächendeckend von ehrenamtlichen Helfern getragen wird. Rund eine Million Männer und Frauen sind in den FFs, den Freiwilligen Feuerwehren organisiert. Die Ausrüstung stellen die Länder und Kommunen, das Personal arbeitet ohne Vergütung.

Slogan der FF: "Unsere Freizeit – Ihre Sicherheit"

Bei Alarm lassen die Freiwilligen Feuerwehrmänner und-frauen alles stehen und liegen, ganz gleich ob Zuhause oder am Arbeitsplatz ob am Tag oder mitten in der Nacht.  Stiefel und die feuerfeste Kleidung stehen oft schon neben der Tür. Jede Minute zählt. "Unsere Freizeit – Ihre Sicherheit" fasst der Slogan der Freiwilligen Feuerwehren in Regensburg das Prinzip zusammen. Jahrzehnte funktionierte der ehrenamtliche Katastrophenschutz gut, doch zunehmend ist diese einzigartige Institution in Gefahr. Sie droht zum Opfer der Demographie, der Lebensart der jüngeren Generation und der politischen Gleichgültigkeit werden.

"Viele Freiwillige Feuerwehren leiden unter Personalnot, es gibt vereinzelt sogar Wehren, die sind bereits fast am Ende", sagt Frank Hachemer, der als Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes die Freiwilligen Feuerwehen vertritt.  Zwar gebe es noch viele Wehren mit guter Personallage, doch auch bei denen tickt die Uhr des demografischen Wandels. Die geburtenstarken Jahrgänge bilden das Rückgrat der Feuerwehr, nun gehen die ersten dieser Generation in den Ruhestand. In den kommenden zehn Jahren dürfte die sogenannte Boomer-Generation fast geschlossen in Rente sein. Das wäre kein Problem, wenn genügend Jüngere nachrückten. Doch die Jüngeren fehlen. Genauer: Es gibt sie, doch eben nicht in den Reihen der Freiwilligen Feuerwehren.

Millennials möchten sich nicht langfristig engagieren

Seit Jahren warnt Hachemer vor dem Kollaps des Systems, der 2011 mit dem Wegfall der Wehrpflicht begann. Zuvor konnten statt 18 Monate Wehrdienst oder 21 Monate Zivildienst auch zehn, später sieben Jahre bei der Feuerwehr abgeleistet werden. Eine lange Zeit, doch parallel zum Dienst ließ sich sofort das Studium oder die Ausbildung beginnen. "Viele kamen damals über die Wehrpflicht zur Feuerwehr und blieben weit über die Pflichtjahre hinaus", weiß Hachemer. Und eben diese langfristige Mitarbeit fehle heute. Die sogenannten Millennials möchten sich zwar engagieren, aber meist nur in kurzfristigen Projekten. Kaum einer wolle sich noch über Jahre irgendwo einbinden lassen, so der Vize des Feuerwehrverbandes.

Ferner erodierten auch die dörflichen und kleinstädtischen Gemeinschaften. Der Wohnort ist heute immer seltener auch der Arbeitsort. Damit ist das Prinzip der Wehren ausgehebelt. "Wer erst von der Arbeit zum Einsatz pendeln muss, kommt an, wenn schon alles vorbei ist" sagt der 52-Jährige. Einige Wehren haben darauf bereits mit "Doppelmitgliedschaften" reagiert, der ehrenamtliche Feuerwehrmann – oder frau ist Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr an seinem Wohnort und an seinem Arbeitsplatz. "Gastlöscher" nennen die Feuerwehren das System scherzhaft. Im Idealfall profitieren beide Wehren vom geteilten Personal. Doch der Idealfall bleibt selten.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Feuerwehrfrauen - es geht eher schleppend voran

Große Hoffnungen setzt die Feuerwehr in die Frauen. Seit Jahren werden sie für den freiwilligen Dienst intensiv umworben. Etwa in Hamburg, wo es große Werbekampagnen eigens für Feuerwehrfrauen gab. Zwar stieg ihre Zahl von 2000 bis 2017 von rund 61.000 auf 94.00, bleibt jedoch seither stabil bei zehn Prozent. Gute Nachrichten gebe es aus Rheinland-Pfalz, so Hachemer. Hier hätte sich nicht nur die Zahl der Feuerwehrfrauen verdoppelt. Auch die Zahl der Mitglieder insgesamt sei von 50.000 auf 54.500 gestiegen. 

Der Verband vermutet hinter den erfreulichen Zahlen drei Effekte. Die zahlreichen Helfer bei den Extremwetterlagen hätten die Wehr wieder in die öffentliche Wahrnehmung gerückt und wohl bei manchem den Wunsch geweckt, mitzumachen. Auch würden vermehrt ältere Quereinsteiger, die früher bei der Freiwilligen Feuerwehr waren, nun wieder einsteigen. Die Kinder seien aus dem Haus, man zieht nicht mehr um, ist flexibler und hat Zeit. 

Größte Nachwuchsorganisation bleiben die rund 18.000 Jugendfeuerwehren. Ab dem Alter von zehn Jahren kann der Truppe beigetreten werden. Das Programm für die Jugendlichen ist eine Mischung aus Sportverein und Pfadfinder mit ganz viel Feuerwehrtechnik. Und da die Feuerwehren auch international organisiert sind, kommen zu den jährlichen Jugendcamps Teilnehmer aus aller Welt. Ein Angebot, von denen viele andere Vereine nur träumen können.

Im Kampf um die Kinder sieht sich die Feuerwehr in Konkurrenz zu den klassischen Freizeitprogrammen wie dem Sportverein. Wer mit sechs oder sieben einem Sportverein beitritt, hat später womöglich kaum Zeit für ein weiteres Hobby, so die Überlegung. Die Bambini-Feuerwehren für Kinder ab sechs Jahren versuchen mit ihren Programmen zumindest schon ein Samenkorn bei en Jüngsten für die Feuerwehr zu pflanzen.

Auch um Migranten bemüht sich der Verband. Leider würden die häufig nicht auf die Idee kommen, sich überhaupt für die Feuerwehr zu interessieren. Das läge auch an der Einzigartigkeit der Freiwilligen Feuerwehr in Deutschland, vermutet Hachemer. Viele brächten Feuerwehr in erster Linie mit dem Militär in Verbindung, da in sehr vielen Staaten die Brandbekämpfung der Armee oder der Polizei zugeordnet ist. Institutionen um die man in autoritären Systemen lieber einen Bogen mache.

Das derzeit politisch lebhaft diskutierte Thema Dienstpflicht verfolgt die Feuerwehr mit Interesse. „Das wird für die Feuerwehr aber nur interessant, wenn es eine ähnliche Regelung wie zur früheren Wehrpflicht gibt“, gibt Frank Hachemer zu Bedenken. Der auf ein Jahr komprimierte Dienst bei der Bundewehr wurde auf mehrere Jahre bei der Feuerwehr gestreckt. Bundeswehr ist täglich, Feuerwehr nur ein Dienstabend jede Woche plus Ausbildung. Erst nach vier oder mehr Jahren würden sich Investitionen wie Lkw-Führerschein oder weitere technische Ausbildungen rentieren. 

Was die Feuerwehr attraktiv macht und kaum einer weiß

Auf die Frage, was denn die Feuerwehr attraktiv machen würde, fällt Hachemer sofort eines ein: Sinn. Wer ein Hobby mit einem erfüllenden Sinn sucht, sei bei der Freiwilligen Feuerwehr genau richtig. Was könne es Besseres geben, als anderen in Not zu helfen, sagt er. Gemeinschaft und Kameradschaft in manchmal nicht ungefährlichen Situationen sind für den langjährigen Feuerwehrmann ebenfalls große Pluspunkte für den Dienst. Für Technikbegeisterte gäbe es neben dem Technischen Hilfswerk kaum einen besseren Ort. Häufig könne man über die Feuerwehr auch seinen Lkw-Führerschein machen und sich über Lehrgänge zum Teamleiter oder technischen Gerätewart weiterbilden lassen. Fähigkeiten, die auch im Berufsleben von Vorteil sein könnten.

Geld wäre ein Anreiz, würde jedoch dem Charakter der Freiwilligkeit zuwiderlaufen. Für die oft klammen Gemeinden ist eine Entlohnung ohnehin kein attraktives Thema. Da die Freiwillige Feuerwehr auf kommunaler Ebene organisiert ist, gleichen die unterschiedlichen Lösungen eher der Landkarte Deutschlands vor der Reichgründung 1871: einem Flickenteppich.

Zusätzliche Rente für die freiwilligen Helfer

In einzelnen Bundesländern wird den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehren eine Art Zusatzrente über Versicherungen und Fonds angeboten. So können die Freiwilligen in Düsseldorf seit zehn Jahren "Rentenpunkte" sammeln. Punkte gibt es etwa für Einsätze, Weiterbildungen, Bereitschaftszeiten. Am Ende der aktiven Dienstzeit werden die Punkte in Geld umgerechnet und entweder auf einen Schlag oder monatlich ausgezahlt. Andere Gemeinden und Kommunen zahlen für ihre Ehrenamtlichen in eine Rentenversicherung ein.

Das einzige Bundesland mit einer einheitlich geregelten "Feuerwehrrente" ist Thüringen. Seit nun mehr elf Jahren gilt die "Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren". Erfolglos wurden ähnliche Vorschläge auch in die Landtage der anderen Bundesländer eingebracht. Häufige Begründung: Zu teuer und ungerecht. Eine Rente für ehrenamtliche Mitglieder der Feuerwehr müsse auf alle ehrenamtlichen Tätigkeiten ausgeweitet werden und diese Summen sprengten das Budget. 

Den Ländern wäre eine Rente über den Bund die liebste Lösung. Danach würde der Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr mit Zusatzpunkten in der regulären Rente vergütet. Das lohnt sich nur bei langen Dienstzeiten, aber genau ein solches Engagement braucht es schließlich auch, um das bislang erfolgreichste Feuerwehrsystem der Welt am Laufen zu halten.