Wort des Jahres Männer, Fans und Bären

Die Fußball-WM war auch aus sprachlicher Sicht Spitze: "Fanmeile" ist das Wort des Jahres. Und auch zwei weitere Begriffe unter den Top Ten haben mit dem sportlichen Großereignis zu tun. stern.de zeigt die Liste der zehn bestplatzierten Wörter.

An den Sommer 2006 werden sich viele Deutsche noch in Jahrzehnten erinnern: In brütender Hitze standen Hunderttausende Fußballfans vor riesigen Leinwänden, um gemeinsam die Spiele der Weltmeisterschaft zu verfolgen. An den Autos flatterten schwarz-rot-goldene Flaggen, und selbst überzeugte Fußballmuffel jubelten den Spielern zu. Kein Wunder, dass sich das Großereignis gleich drei Mal in den zehn "Wörtern des Jahres" wiederfindet.

"Klinsmänner" auf Platz neun

Die Spitzenposition nimmt die "Fanmeile" ein. "Das war nicht nur ein Ort, wo sich die Fußballbegeisterten aus der ganzen Welt trafen, sondern spiegelte auch ein neues Lebensgefühl", begründete Vorsitzender Rudolf Hoberg die Wahl der Gesellschaft für deutsche Sprache. Die "Klinsmänner" spielten sich nicht nur mit überraschenden Leistungen ins Halbfinale, sondern auch auf Platz neun der Wörterliste. "Schwarz-rot-geil!" urteilten die Sprachwissenschaftler und setzten den Ausdruck auf Platz zehn.

Doch nicht nur positive Phänomene finden sich unter den Wörtern des Jahres, die laut Hoberg "entscheidende Ereignisse, Stimmungen und Denkrichtungen wiedergeben", die für das Jahr repräsentativ sind. So kann die "Generation Praktikum" (Rang 2) nach einem "Bezahlstudium" (Rang 6) leicht in das "Prekariat" (Rang 5) abrutschen. Dieses 2006 neu erstandene Wort verweist auf die ungesicherten Lebensverhältnisse der Unterschicht, die man als solche nicht mehr bezeichnen darf - sofern man nicht wie SPD-Chef Kurt Beck eine entrüstete Debatte auslösen möchte.

Das erste Wort des Jahres ernannten die Sprachwissenschaftler 1971. Damals erregten "heiße Höschen" die Gemüter, die "aufmüpfige" Damen trugen. Seitdem sammelt ein Mitarbeiter der Gesellschaft das ganze Jahr hindurch sämtliche Schlagworte, die die Presse prägen. Mehr als 500 Wörter habe er in diesem Jahr zusammengetragen, berichtete Lutz Kuntzsch. Weitere 500 seien von der Bevölkerung eingesandt worden. Daraus habe er 40 ausgewählt. Diese Liste führte dann laut Hoberg im entscheidenden Gremium zu einem "intensiven Streit", bis sich die Forscher auf die zehn Favoriten einigen konnten.

Ein ernstes Spiel

"Das hat mit Wissenschaft zunächst überhaupt nichts zu tun", sagte Hoberg. Das "Wort des Jahres" sei nur ein Spiel, wenn auch ein ernstes. "Schließlich spiegelt die Sprache unsere Welt wider." Viele Umstände könnten mit verschiedenen Wörtern bezeichnet werden, die beeinflussten, wie das Umfeld wahrgenommen werde.

Dessen seien sich nicht nur Bildungsbürger intuitiv bewusst, erzählte Hoberg. "Das interessiert wirklich jeden." Dies zeigten auch die vielen Reaktionen, die die Gesellschaft für deutsche Sprache nach der Veröffentlichung der "Wörter des Jahres erhält". "Viele sind richtig wütend, weil ihr Favorit nicht aufgenommen wurde." Auch das Interesse in den Medien an der Aktion sei extrem groß: "Es stimmt überhaupt nicht, dass Medien an Sprache nicht interessiert sind."

Deshalb schaffte es auch der "Rechtschreibfrieden" (Rang 4) in die Top Ten dieses Jahres. Politisch sei in Deutschland zwar viel passiert, "aber es gab kaum ein prägendes neues Wort", berichtete Kuntzsch. Der "Karikaturenstreit" (Rang 3), der weltweit Empörung unter den Muslimen auslöste, dominierte dagegen wochenlang die Titelseiten der Zeitungen. Derzeit führen die "Poloniumspuren" (Rang 8) von London über Hamburg nach Moskau.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Im Januar wird Unwort gekürt

Als sich im Sommer nach langen Jahren erneut ein Braunbär nach Deutschland wagte, wurde "Bruno" kurzerhand zum "Problembären" (Rang 7) erklärt und abgeschossen. "Sehr viel Gegenwind" hat auch die Gesellschaft für deutsche Sprache bereits erfahren. Ursprünglich ernannte sie zudem das "Unwort des Jahres". Aber das Bundeskanzleramt war von der Wahl des "kollektiven Freizeitparks", mit dem CDU- Bundeskanzler Helmut Kohl 1993 in einer Standortdebatte Deutschland bezeichnet hatte, wenig amüsiert.

Seitdem wird das Unwort von einer unabhängigen Jury gewählt, die im Januar das Pendant zum Wort des Jahres 2006 küren wird. Unter den Kandidaten sind "mobile ethnische Minderheiten" für Sinti und Roma sowie "Abwrackprämien" für staatliche Zuschüsse bei der Entlassung von Über-50-Jährigen.

DPA
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