Nach den Vorwürfen um mögliche gewaltige Emissionen des klimaschädlichen Treibhausgases Schwefelhexafluorid (SF6) in Baden-Württemberg hat der Chemiekonzern Solvay Klage gegen eine behördliche Anordnung eingereicht. Das bestätigten das Verwaltungsgericht Stuttgart auf Anfrage. Die Klage gegen das Land sei am 3. Dezember eingegangen.
Die Klage richtet sich gegen eine Anordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart, durch die die SF6-Emissionen am Solvay-Standort Bad Wimpfen drastisch gesenkt und durch Messungen eines unabhängigen Instituts belegt werden sollen.
Forscher wartnen vor Treibhausgas-Leck
Hintergrund der Auseinandersetzung ist eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt. Die Forscher hatten in der Region deutlich höhere SF6-Werte gemessen als vom Unternehmen offiziell angegeben. Solvay ist europaweit der einzige Hersteller des Gases, das unter anderem in der Elektroindustrie als Isoliermittel eingesetzt wird.
Während der Konzern für das Jahr 2023 insgesamt 56 Kilogramm SF6 gemeldet hat, kamen die Forscher im Schnitt der Jahre 2020 bis 2023 auf rund 30 Tonnen jährlich für die Region.
SF6 gilt als eines der klimaschädlichsten bekannten Gase. Es ist farb- und geruchlos, für Menschen ungiftig und es brennt nicht. Die globale Emission liege bei 8.000 Tonnen, von denen circa 5.000 Tonnen aus China kommen, so Atmosphärenforscher Andreas Engel von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Deutschlandweit liege die Emission bei 100 Tonnen jährlich.
Regierungspräsidium ordnet Sofortvollzug an
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Als Reaktion auf die Klage ordnete das Regierungspräsidium den sogenannten Sofortvollzug an. Das bedeutet laut Umweltministerium, dass Solvay sich an die Vorgaben der Anordnung halten muss - unabhängig vom laufenden Klageverfahren.
"Aktuelle Messungen vor Ort deuten darauf hin, dass die Emissionen durch die zwischenzeitlich getroffenen Anpassungen an der Anlage deutlich gesunken sind. Sie liegen aber weiter viel zu hoch und müssen weiter reduziert werden", erklärte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne). Man dürfe keine Zeit verlieren. "Da darf es im Interesse des Klimaschutzes keine Verzögerungen geben."
Laut Regierungspräsidium ist inzwischen zweifelsfrei festgestellt worden, dass am Standort Bad Wimpfen erheblich mehr SF6 ausgetreten ist als ursprünglich gemeldet. Die im November erlassene Anordnung legt konkrete Grenzwerte fest. "Sollte Solvay die Anordnung nicht einhalten, werden wir umgehend alle weiteren rechtlich möglichen Schritte einleiten", so Regierungspräsidentin Susanne Bay.